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Betreffend: Streik in den Veithwerken in Sandbach

SOFORT

E[rbach]. 19. VI. 1912


I
An Gr. M.[inisterium] d. I.[nnern]

In der Gummiwarenfabrik Veithwerke in Sandbach ist am 4. d. Mts. ein Streik ausgebrochen. Wir haben an demselben Tage die Kommandierung eines Gendarmen nach der Fabrik veranlaßt, der sich auch jetzt noch dort aufhält. Als bekannt wurde, daß die Arbeitswilligen durch Streikposten belästigt wurden, haben wir die Gendarmerie angewiesen, gemäß § 153 G[werbe] Ord[nung] dagegen zu verfahren. Eine Reihe von Anzeigen ist auch bereits abgegangen. In der letzten Zeit sind solche Belästigungen nicht mehr vorgekommen. Die Streikposten sind allerdings an den Straßenkreuzungen noch aufgestellt, da sich die Fabrik weigerte, die Arbeiter wieder einzustellen und sich andere Arbeiter in genügender Anzahl beschafft hat. Daß die Arbeiter z.T. mit Fahrrädern auf der Straße stehen kann m. E., insolange sie sich ruhig verhalten, nicht verboten werden. Durch häufige Patrouillen der Gendarmerie wird dafür gesorgt, daß der Verkehr so wenig wie möglich gehemmt wird. Bei der letzten Kreisausschußsitzung hat sich ein Kreisausschußmitglied bei dem Landtagsabgeordneten Lang, der gleichfalls Mitglied des Kreisausschusses ist, über diese Störungen auf der Straße Höchst - Sandbach beschwert. Der Unterzeichnete hat aber sofort darauf aufmerksam gemacht, daß das ruhige Aufhalten auf öffentlichen Wegen wohl nicht gut polizeilich verhindert werden könnte, auch die eingangs geschilderten Maßregeln bereits gelauffen seien. Es erklärt sich auf diese Weise die von dem Abgeordneten Lang bei Gr.[oßherzoglichem] Ministerium gelegentlich vorgebrachte Bitte dafür zu sorgen, daß sich die Arbeiter nicht wieder auf der Straße aufhalten. Ein Mißstand, der aber aufgrund des Streiks nicht zu beseitigen sein dürfte. Sobald wir von dem Schreiben des Abgeordneten Lang Kenntnis erhielten, wollten wir nicht versäumen, den Sachverhalt Gr[oßherzoglichem] Ministerium zu berichten.


U.R. Gross. Kreisamt Erbach
zurück mit dem Anfügen, dass der Unterzeichnete den Landtagsabgeordneten Lang mit seinen etwaigen Anträgen an das Kreisamt als die allein zuständige Stelle verwiesen hatte. Mit den Ausführungen Ihres Berichts sind wir einverstanden.

Darmstadt, den 20. 6. 1912



Gr. Ministerium des Innern
Gez. v. Hombergk

(STAD G 15 Erbach V 480)