Dokument 4Höchst, den 8. Juli 1912 Gendarmerie-Korps Distrikt Starkenburg Sektion Erbach Station Höchst An Großherzogliches Kreisamt Erbach Betreffend: Streik in der Fabrik Veithwerke bei Sandbach Großherzoglichem Kreisamt berichtet die Station zu obigem Betreff gehorsamst folgendes: Auf der Straße Höchst-Sandbach patrouilliren immer noch die Streikposten auf und ab um zuziehende Arbeiter von der Arbeit abzuhalten. Die ausgesperrten Arbeiter vertreten die Ansicht, die Fabrik benötige sie auf alle Fälle und sei gezwungen sie wieder einzustellen und die seither eingestellten Arbeiter müßten entlassen werden. Diese Annahme der Entlassenen ist seitens der Fabrikdirektion jedoch ganz hinfällig, denn die Direktion geht mit dem strikten Grundsatz um, und führt diesen durch, daß keiner der Entlassenen wieder zur Einstellung gelangt. Heute morgen - den 8.7. - während zwei neu eingestellte Arbeiter von Radheim ahnungslos auf dem Wege zur Fabrik Veithwerke waren, wurden in der Höhe der Ernst-Ludwig-Heilstätte im Wald in unmittelbarer Nähe der Arbeiter aus dem Dickicht 2 Schuß abgegeben, ohne die beiden Arbeiter zu verletzen. Dieselben sprangen nach dem Schießen und sei ihnen hierbei zugerufen worden: "Wenn sie sich wieder sehen lassen, wird es anders ausfallen." Nach Lage der Sache dürfte wohl anzunehmen sein, daß die beiden geängstigt werden sollen, um an der Arbeit in der Fabrik nicht weiter teil zu nehmen. Aber immerhin macht diese Handlung auf die übrigen und neu zugehenden Arbeiter einen abschreckenden Eindruck, wodurch mancher Arbeitswillige zurückbleibt. Die heute morgen und abend angestellten Recherchen nach dem Täter am Tatort blieben bis jetzt ohne Erfolg. Jedenfalls ist anzunehmen, daß einer der Streikenden in Betracht kommt. Anzeige ist erfolgt. Bieber Wachtmeister (STAD G 15 Erbach V 480) |