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Hessischer Volksfreund, 8. Juni 1912

Sandbach, 7. Juni
Bekanntlich befinden sich die Arbeiter der Gummifabrik (Veith-Werke AG) im Streik. Die Direktion läßt alle Minen springen (man muß wirklich anerkennen, daß mit den Machinationen und Manipulationen geschickt operiert wird. D.B.), um die Arbeiter einzuschüchtern und kopfscheu zu machen. Das Gegenteil hat die Direktion aber bis jetzt erreicht. Die Arbeiter, 108 an der Zahl, stehen einig und fest, haben sich auch nicht durch die Aushändigung des Lohnes und der Invalidenkarte irre machen lassen, so wenig sie sich durch die in der "Frankfurter Zeitung" gesuchten "Erdarbeiter" als Streikbrecher schrecken lassen. Wenn der Betrieb mit solchen Leuten - vorausgesetzt, daß sich welche finden - aufrecht erhalten werden soll, kann man der Firma ja Glück wünschen, denn was ein ungelernter Arbeiter gerade in der Gummiindustrie an Qualität und Quantität zu produzieren vermag, ist jedem begreiflich und wird den Herren Direktoren, wenn sie es noch nicht begriffen haben, begreiflich werden. Es war bis jetzt der Direktion noch nicht möglich, durch ihr Vorgehen etwas gegen uns zu erreichen. Mit Gendarmerie ausgerüstete Automobile, welche Streikbrecher aus allen Ecken und Enden herbeizuholen versuchten, mußten ohne die teure Ware wieder eingestellt werden. Auch die "seelsorgerische" Bemühung in Höchst um Streikbrecher war umsonst. Daß Sonntags von der Kanzel die Hintzeposaune geblasen wird, überrascht uns nicht. Die ganze Umgegend ist mit Bekanntmachungen und Plakaten beklebt: man könnte glauben, der größte Weltzirkus sei eingetroffen. Die Genossen, Kollegen und Arbeiter der ganzen Umgegend fordern wir auf, das Solidaritätsgefühl mit uns zu teilen und nicht zum Streikbrecher zu werden, denn unser Kampf ist euer Kampf und unser Sieg ist euer Sieg.