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Aufbau und Geschichte des deutschen Militärs - Wehrpflicht



Die deutsche Armee von 1914 hatte viele Traditions - Regimenter, die zum Teil schon jahrhundertelang existierten. Einige waren schon im 17. Jahrhundert gegründet worden und hatten ununterbrochen bis zum Ersten Weltkrieg bestanden (z. B. das sächsische königliche Feld-Artillerieregiment).

Zu diesen Traditionsregimentern gehörte auch das großherzoglich - hessische "Leibgarde - Infanterie - Regiment Nr. 115". Seine Gründung führte es auf den 11. März 1621 zurück, als der damalige Landgraf Ludwig V. von Hessen - Darmstadt im beginnenden dreißigjährigen Krieg eine erste ständige Kompanie aufstellte. Als "Fürstliches Leibregiment" kämpfte es in den folgenden Jahrhunderten vielfach auch in Kriegen gegen Frankreich. 1812 musste es wie die Truppen aller unter Napoleons Protektorat stehenden deutschen Rheinbund - Staaten am Feldzug gegen Russland teilnehmen, aus dem nur 13 Mann und 5 Offiziere dieses Regiments zurückkehrten. Nach dem deutsch - französischen Krieg 1870 / 71 wurde das großherzoglich - hessische Militär der preußischen Armee als "Hessische Division" eingegliedert und das Leibgarde - Regiment erhielt die Nr. 115. Es war bis 1918 Teil der Darmstädter Garnison.

Alle europäischen Länder, ausgenommen England, hatten die allgemeine Wehrpflicht, die zuerst 1793 von der französischen Republik ins Leben gerufen worden war, seit 1814 in Preußen und dann im Deutschen Reich nach 1871 galt. Die englische aktive Armee bestand lediglich aus angeworbenen Freiwilligen. (Die Schweiz hatte kein stehendes, sondern ein Milizheer. Jeder Schweizer war wehrpflichtig oder zahlte Wehrsteuer.) Die übrigen Teilnehmerstaaten des Ersten Weltkriegs - Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Österreich - Ungarn, Russland - hatten ebenfalls die allgemeine Wehrpflicht.

Die deutsche Armee kannte vier Klassifikationen des militärischen Dienstes: Aktive, Reserve, Landwehr und Landsturm. Die Wehrpflichtigen - das waren alle deutschen Männer vom 17. bis 45. Lebensjahr, mit Ausnahme der Angehörigen der regierenden adligen Häuser - wurden in der Regel mit dem 20. Lebensjahr zum aktiven Dienst eingezogen, der bei Kavallerie und Marine drei Jahre, bei den übrigen Truppenteilen zwei Jahre dauerte. Danach traten die Wehrpflichtigen in die Reserve über. Als Reservisten waren sie bis zu 7 Jahre nach ihrer Wehrpflichtzeit zur Teilnahme an Kontrollversammlungen und zwei (bis zu achtwöchigen) Äbungen verpflichtet. Bis zu ihrem 39. Lebensjahr hatten die Wehrpflichtigen dann der Landwehr zur Verfügung zu stehen, in deren Rahmen sie auch zu zwei Äbungen herangezogen werden konnten. Bis zum 45. Lebensjahr waren die gedienten Männer dann dem Landsturm zugeteilt. Alle diese Gruppen wurden im Kriegsfall zum aktiven Einsatz mobilisiert.

Einen deutschen Sonderfall der Wehrpflicht bildeten die Einjährig - Freiwilligen. Dies waren junge Leute von Bildung, welche sich während ihrer Dienstzeit selbst bekleiden, ausrüsten und verpflegen wollen, und deren Wehrdienst dann nur ein Jahr dauerte. Neben den materiellen Voraussetzungen mussten diese jungen Männer den Abschluss der Untersekunda (= 11. Klasse) oder aber das Abitur nachweisen oder bei Nichtvorhandensein solcher Zeugnisse sich einer entsprechenden Prüfung in Deutsch, zwei Fremdsprachen, Geographie, Geschichte, deutsche Literatur, Mathematik, Physik und eventuell Chemie vor einer speziellen Prüfungskommission unterziehen.