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Frauen in der Kriegszeit: Arbeit und Emanzipation
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden viele Denkmäler errichtet, jedoch nur ein einziges für eine Frau mit Kind. Es stand aber eher als Symbol für die Verantwortung der Frauen, statt als Trost für Hinterbliebene. Der Status der Frau hat sich im Ersten Weltkrieg stark verändert. Die Frauen sind selbstbewusster geworden.
Im Krieg war die Arbeit der Frauen eine Notwendigkeit. Nicht nur die Hausarbeit musste von ihnen geleistet werden, sondern auch ehrenamtliche Fürsorge- und Sozialarbeit, welche jedoch im Zusammenhang mit der Organisation der Heimatfront (also nicht mit "Arbeit") erwähnt wurde. Durch die Zuteilung von Arbeit an die Geschlechter spricht man vom Krieg als "Vater der Emanzipation". Damit hängt auch zusammen, dass nach dem Krieg auch die Frauen das Wahlrecht bekamen.
Da im Krieg viele Frauen auf Arbeit angewiesen waren, stieg die Zahl der Arbeitssuchenden allein in Darmstadt auf 7.335. Es war jedoch schwierig, Arbeitsstellen zu finden, da viele Geschäfte und Industriebetriebe geschlossen waren. Also erledigten viele Frauen Heimarbeit. Da auch diese Arbeitsangebote bald überfüllt waren, mahnte die "Frauenhilfe im Krieg", die lokale Organisation des nationalen Frauendienstes, dass auch wohlhabendere Frauen den arbeitssuchenden Näh-, Strick- und Wascharbeiten anbieten sollten.
Frauen, die selbst nicht auf Geldverdienst durch Arbeit angewiesen waren, unterstützten die Soldaten im Feld mit Näharbeiten, was allerdings die Folge hatte, dass ärmeren Frauen wiederum Verdienstmöglichkeiten weggenommen wurden.
Mädchen und Frauen wurden aufgerufen, eine Berufsausbildung zu machen, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Allerdings konnten viele Frauen aufgrund ihrer familiären Lage ihr Zuhause nicht verlassen, waren aber wegen des fehlenden Verdienstes der Männer verstärkt auf Heim- und Näharbeit angewiesen. Daher richtete die Stadt Darmstadt eine "Arbeits - Zentrale zur Beschäftigung von Frauen und Mädchen" ein, durch die im Jahr 1915 2.000 Frauen beschäftigt wurden. Da das 18. Armeekorps ein eigenes Bekleidungsamt in Mainz - Kastell erhielt, übernahm die Stadt Darmstadt die Koordinierung der damit verbundenen Frauenheimarbeit. 1916 arbeiteten im gesamten Großherzogtum Hessen - Darmstadt 17.750 Frauen an Heeresaufträgen. Durch Gewerbeverein, Stadtverwaltung und private Initiative wurde eine "Strickstelle" eingerichtet, in der 400 Frauen Strümpfe für Soldaten anfertigten.
Insgesamt relativ wenige Frauen waren es, die in bis dahin als Männerdomäne geltende Berufe eindrangen. Der Verleger Hohmann schilderte dies etwas poetisiert im 12., dem letzten der von ihm herausgegebenen "Hessischen Kriegshefte" 1916:
Im Straßenleben der Stadt tritt neuerdings der weibliche Teil viel mehr in Erscheinung wie in Friedenszeiten. Die Straßen durcheilt, ausgerüstet mit Brieftasche und Uniformmütze, der weibliche Briefträger; auf den Bahnhöfen wirken Bahnsteigschaffnerinnen, auf Automobilen und auf den Plattformen der elektrischen Straßenbahn außer Schaffnerinnen nun auch weibliche Wagenführer und in der Stadt, in den Häusern, auf vielen - durch den Krieg entstandenen Stellen und Ämtern und auch auf anderen, früher von Männern besetzten Plätzen - wirken Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts.
(S. 42)
Schaffnerinnen bei der HEAG, 1915 (Foto: Stadtarchiv Darmstadt)
Durch diese Notwendigkeit zur Arbeit kam es zu Problemen bei der Kinderbetreuung. Oft arbeiteten die Frauen 10 - 12 Stunden am Tag, und waren dann zur Kinderfürsorge zu müde. Also wurden Kinderkrippen eingerichtet. Die Kinder wurden morgens und mittags aufgenommen und hatten auch in den Ferien die Möglichkeit, die Kinderkrippe zu besuchen. Somit wurde den arbeitenden Müttern geholfen, und die ins Feld ziehenden Väter wurden beruhigt.
Um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu vereinfachen, wurde ein Ausschuss einberufen, welcher der "Mobilisierung der Frauen durch Frauen" diente. Dieser Ausschuss appellierte daran, dass die meisten Frauen unermüdlich in Liebe und Fürsorglichkeit seien, aber auch bis jetzt untätige Frauen sollten arbeiten. Zwar seien einige schon in Munitionsfabriken oder in der Landwirtschaft tätig, jedoch bedurfte es einer "freiwilligen Zivildienstpflicht". Deswegen wurden Frauen und Mädchen für Kinderfürsorge, Kriegsspeisungen, Bürotätigkeiten im Zusammenhang mit sozialer Fürsorge, Wohnungsfürsorge für Fabrikarbeiterinnen, Sammel- und Verwertungsstellen, Äbernahme von Hausfrauenarbeit im ländlichen Betrieb und die Verteilung von Lebensmitteln gesucht.
Hausfrauen stehen Schlange vor der Metzgerei Thumann
in der Grafenstraße (Foto: Stadtarchiv Darmstadt)
Um den Alltag der Frauen zu erleichtern, mahnte die Stadt, die Lebensmittelverteilung besser zu organisieren, so dass das lange Schlange - Stehen zu vermeiden wäre. Auch wurde für Schwangere eine Zusatzlebensmittelration gefordert und eine Kinderwäschesammelwoche einberufen. Frauen, die nicht unbedingt auf Arbeit angewiesen waren, erledigten die sozialen und fürsorgerischen Tätigkeiten. Einigen Frauen, die die Arbeitsplätze der Männer einnahmen, ist es im Krieg gelungen, anstelle ihrer Gatten neue Berufsgebiete zu erobern. Jedoch wurde von ihnen verlangt, die Arbeitsplätze bei Rückkehr ihrer Männer sofort wieder herzugeben. Auch solche, die das Maschineschreiben und das Stenographieren erlernten, würden bei Kriegsende nicht mehr gebraucht, und es wurde verlangt, dass sie die Plätze für die Männer räumten. Auch wenn bei Kriegsende den Frauen für ihren Einsatz gedankt wurde, wurden sie darauf hingewiesen, wieder in der Hauswirtschaft oder in den nur für Frauen typischen Kinderhorten zu arbeiten. Da einige es nicht einsahen, ihre Arbeit zu verlassen, kam es 1919 zu Drohungen:
Die deutsche Frau hat im Krieg den Mann vertreten und ihre Pflicht erfüllt. Jetzt dient sie sich und dem deutschen Volke wenn sie Platz macht. [...] Hier helfen keine guten Worte, sondern nur gesetzlicher Zwang.
(Darmstädter Tagblatt, 1. Februar 1919)
So kam es also letztlich doch dazu, dass die meisten Frauen entlassen wurden, und ihnen geraten wurde, Krankenberufe und Irrenpflege auszuüben.
Die Stadt Darmstadt appellierte eindringlich an die Hausfrauen, mit geringen Mitteln ihren Haushalt ordnungsgemäß zu führen Das Sammeln von Küchenabfall wurde zur Hausfrauenpflicht, wobei hier auch an die Kinder appelliert wurde. Die zum Warmhalten geeignete "Kochkiste" wurde geradezu zur "Waffe" erklärt. Die Ernährungsnot während des Krieges konnte jedoch nicht allein mit dem sparsamen Haushalten der Einzelhaushalte bewältigt werden Aufgrund der gesteigerten Lebensmittelteuerung stieg bald die Nachfrage nach kostenlosen Mittagessen. Daher richtete die "Frauenhilfe" einen Mittagstisch ein, welchen täglich 3.000 Darmstädter nutzten.
Des weiteren wurde eine "Kleidersammelstelle und Nähstube" ins Leben gerufen. Die Tätigkeit bestand darin, Kleidungstücke und Wäsche, Schuhe, Hüte, Stoffreste usw. zu sammeln, weiterzuverarbeiten, und dann kostenlos, oder zu einem niedrigen Preis abzugeben. In dieser Einrichtung war auch der Kriegsstiefel, der aufgrund der Ledernot aus Holz gefertigt wurde, entworfen worden.
Im Darmstädter Zentralbad wurde das Bassin abgedeckt und eine Nähwerkstatt eingerichtet. (Foto: Stadtarchiv Darmstadt)
Frauen mussten im Ersten Weltkrieg nicht nur den eigenen Kriegsalltag bewältigen, ihnen oblag gleichzeitig die moralische und materielle Unterstützung der Soldaten an der Front. Die Darmstädter Frauenvereine sammelten und packten Spenden, die vom Roten Kreuz an die Front gebracht wurden. 1912 hatte der Verband evangelischer Frauenvereine dem Roten Kreuz versichert, im Kriegsfall nötige Unterstützung zu leisten, was sich besonders auf die Bereitstellung von Krankenschwestern bezog. Als sogenannte Liebesgaben wurden Unterwäsche, Strümpfe, Schokolade, Zigarren, Tabak und nicht - verderbliche Esswaren gesammelt. Doch trotz aller Appelle, moralischer Mahnungen und Erbauung, ließ mit zunehmenden Alltagsschwierigkeiten die Bereitschaft oder Möglichkeit zu freiwilligen Diensten und Wohltaten nach. Im Herbst 1918 musste das Rote Kreuz ernüchtert feststellen, dass die "Flamme der Begeisterung" nach vier Kriegsjahren verlodert sei: Es war nicht mehr möglich, genügend Frauen für Pflegerinnendienste im Lazarett zu finden. Viele Einrichtungen der bürgerlichen "Frauenarbeit" blieben auch noch nach dem Krieg erhalten: Massenspeisungen wurden erst einige Jahre nach Kriegsende eingestellt. Anders als die Frauenerwerbstätigkeit, die mit Kriegsende häufig ein Ende fand, war auf der anderen Seite das Ende des Krieges geradezu erst der Anfang einer organisierten Frauenbewegung, die als Hausfrauenorganisation ihr neues - spezifisch weibliches - Selbstbewusstsein in die Nachkriegsgesellschaft einbrachte.
Stichworte dazu, wie es nach dem Krieg weiterging:
12.11.1918: Durchsetzung des Frauenwahlrechts
1922: Das Jugendwohlfahrtsgesetz regelte die Jugendfürsorge und die Amtsformalitäten für uneheliche Kinder
1924: Garantie der Sozialversicherung für Heimarbeiterinnen
1926: Milderung der Abtreibungsbestrafung - Gefängnis statt Zuchthaus
1927: Gesetz für Mutterschutz und Wöchnerinnenfürsorge
- erst am 1.7.1958: Gleichberechtigung in der Ehe
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