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Ernst Kolb


Lebenslauf:

Ernst Kolb, Sohn des Militärbaurats Kolb, wurde am 14. Juli 1890 in Darmstadt geboren. Seine erste Jugend verlebte er in Darmstadt, Karlsruhe, Berlin und Brandenburg und kam erst wieder mit 14 Jahren nach Darmstadt, als sein Vater dorthin versetzt wurde. Hier besuchte er das Realgymnasium und widmete sich nach Abschluß seines Maturitätsexamens dem Studium des Bergbaus. Zuerst arbeitete er 1 Jahr praktisch auf Grube Heinitz (Reg. Bez. Trier), bezog dann für 1 Semester die Hochschule Darmstadt ging von da aus an die Bergakademie nach Berlin. Am Schlusse seines 6. Studiensemesters meldete er sich zur ersten Prüfung für den höheren Staatsdienst bei der Prüfungskommission zu Berlin. Im März und April 1913 hielt er sich zur Ausarbeitung seiner technischen Probearbeit wieder in der Grube Heinitz auf, kehrte Ende April nach Berlin zurück und bestand am 13. Juni das Examen. Am 19. Juni erfolgte seine Ernennung zum Bergreferendar. Vom 9. Juli bis 31. September war er bei der königlichen Berginspektion 2 in Gladbeck i. W. auf den Möllerschächten zur technischen Ausbildung beschäftigt, wo er während 7 Wochen als Hilfssteiger einfuhr. Vom 1. Oktober 1913 ab diente er dann als Einjährig-Freiwilliger im Leibgarde-Infanterie-Regiment 115 zu Darmstadt. als dann im August 1914 der Krieg ausbrach, rückte er mit seinem Regiment am 5. Mobilmachungstag als Unteroffizier nach dem Westen aus, und wurde im Anfang der ersten furchtbaren Strapazen Mitte September auf dem Schlachtfeld Chalons sur Marne durch einen Kopfschuss verletzt. Er kam mit einem Transport nach Darmstadt, lag 3 Wochen bis zu seiner Genesung im Städtischen Krankenhaus und tat von November 1914 bis Januar 1915 wieder Garnisonsdienst. Inzwischen war er mit dem Eisernen Kreuz und der Hessischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet worden, ausserdem zum Offiziersstellvertreter und Leutnant der Reserve befördert. Am 7. Januar rückte er mit dem Feldbataillon 70 nach Ohrdruf in Thüringen, wo mit anderen Truppen zusammen das neue Regiment 254 gebildet wurde. Anfang Februar ging es dann zum 2. Mal ins Feld und zwar nach dem Osten. Doch schon im März ereilte ihn das Schicksal und er wurde durch eine Granate verschüttet. Noch 4 Tage rang er mit dem Tode; doch die inneren Verletzungen waren zu schwer. Am 15. März 1915 starb er im Feldlazarett zu Janowo. Ein selten charakterfester, sonniger, zuverlässiger Mensch ist mit ihm dahingegangen. Alle liebten und schätzten ihn, vom gemeinen Mann bis zum höchsten Vorgesetzten.





Selbstzeugnis:

[Postkarte]

Fräulein
Maria Schneider
Darmstadt
Martinstr. 10

Auf der Höhe östlich von les Petites Armeoires bei Le Chesne/ Canal des Ardennes den 31. August 1914.

Mein herzliebster Schatz,
Obwohl wir schon seit heute morgen im Granat- und Schrapnellfeuer liegen, haben
wir so lange es hell ist nichts zu tun. Ich kann deshalb hoffentlich jetzt noch mehr [?] schönen Abendstunden ein paar Zeilen schreiben.
N.b. das feindliche Feuer hat uns nur geringe Verluste beigebracht, da die
französischen Geschütze sehr mäßig sind u. die Granaten zu 50% nicht explodieren und die Schrapnelle sehr wenig Streuung haben.Ihr werdet wohl viel, besonders Du mein Lieb, mit Schmerzen an mich denken und auch ich kann mich oft nicht einer traurigen Stimmung erwehren. Das macht, daß man doch schon etwas heruntergekommen ist. Aber Gott sei Dank kann ich es schnell überwinden, wenn ich mir die Lage unseres Vaterlandes vor Augen halte. Dann bin ich wieder frisch und trage denn Kopf hoch.
Wie ich Euch vorgestern schon mitteilte, bin ich als Offiziers[dienstuer?]
eingereicht. Hoffentlich wird es genehmigt. Ich würde mich über diese Auszeichnung freuen.
Was werdet Ihr Euch für ein Bild machen von diesem Krieg im Kleinen? Ich glaube, Ihr ahnt nicht einmal, wie es hier zugeht. Wir empfinden schon nicht mehr diese Rauheit, Rohheit eigentlich. Es ist einem schon selbstverständlich geworden. Hier ist es ja besser wie in Belgien, wo sich die Einwohner der Dörfer schändlich betragen haben. Infolgedessen ist kaum ein Dorf, wo Truppen durchgezogen sind, das nicht zur HäIfte oder ganz in Brand geschossen oder gesteckt worden ist. Wie es in den verlassenen Wohnungen aussieht? Alles in wüstestem Durcheinander und zerwühlt nach Essen und Getränk. Ersteres empfangen wir zwar ständig und gut aus der Feldküche, aber manchmal ist sie auch nicht zur Stelle und der Hunger ist so groß, daß es unmöglich ausreicht.
Gestern haben wir uns nach der Schlacht in dieser Beziehung schadlos gehalten. Es gab Wein und Champagner in Mengen, Geröste Kartoffeln köstlich und ausgezeichneten Malzkaffee, den unsere Leute gemacht haben. Sie waren direkt rührend und besorgt um uns und herzlich froh, daß die franz. Soldaten wieder draußen waren, die ganz schlimm hausen. Sind die Leute anständig so behandeln unsere Soldaten sie auch freundlich. [Meine] Familie [scheint] keine Kartoffeln und überhaupt keinen Keller zu haben. Natürlich war wieder in unserem Mahl Salz u. viel Rotwein u. Hunderte von Eiern. Ich habe natürlich auch zwei geklepperte Eier mit Rotwein kurz vor dem Abrücken zur Brust genommen.

[Am Rand] Am Abend haben wir biwakiert u. zum letzten Mal zu essen bekommen
[....] [vor] 8 Uhr nicht wieder.

Herzlichen Gruß u. Forts. folgt.