Franz Ochs
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Lebenslauf: Darmstadt, 8. Oktober 1916 An das Städtische Ortsgeschichtliche Museum Hier. Im Anschluß an mein Schreiben vom 19. März d.J. übersende ich Ihnen ganz ergebenst die Photographie meines Sohnes, eine von ihm geschriebene Feldpostkarte und eine Abschrift seiner letzten und aus dem Felde herrührenden Briefe. Mit vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich Ihr ganz ergebener Ludwig Ochs Kgl. Rechnungsrat Franz Wilhelm OCHS stud. chem. CV (?) Kompagnieführer der 5. Komp. d. Res. Inf. Rgts. 116 Ritter des Eisernen Kreuzes gef. am 23. Oktober 1914 westlich von Lille an der Strasse von Lomme-Quesne. Darmstadt im September 1916 Franz Wilhelm Ochs wurde am 25. Juli 1887 in Darmstadt als Sohn damaligen Postsekretärs Ludwig Ochs und der Ehefrau Amalie geb. Wundt geboren. Bis zu seinem 9. Lebensjahr besuchte er das hiesige Ludwig Georg Gymnasium und dann die Gymnasien Mühlhausen (Els.) und Gebweiler, wo er im Jahre 1908 sein Abiturienten Examen ablegte. In dem gleichen Jahr trat er bei dem in Mühlhausen (Els.) stehenden Infanterie Regiment Nr. 112 als Einjährig-Freiwilliger ein und wurde nach Ableistung seiner Militärpflicht als Vizefeldwebel entlassen. Von 1909 - 12 besuchte er die Technische Hochschule in Dresden und von 1912 bis zum Ausbruch des Krieges die hiesige Technische Hochschule, um Chemie zu studieren. Er gehörte der Studentenverbindung "Cimbria" in Dresden an. Als Leutnant d. R. und Kompanieführer der 5. Kompanie des Reserve Infanterie Regiments Nr. 116, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse, ist er am 23. Oktober 1914 westlich von Lille an der Strasse Lomme - Quesne gefallen. Mit voller Begeisterung großer Zuversicht war er in den Kampf gezogen. Am Mobilmachungstage verabschiedete er sich von seinen Bundesbrüdern. | |
Selbstzeugnis: Darmstadt, 2. August 1914 Liebe Bundesbrüder! Vielleicht trifft mein Brief keinen von Euch mehr an, da auch Ihr wohl alle zu den Fahnen geeilt seid. Ich habe die feste Zuversicht, daß jeder Bundesbruder sich in der eifrigsten Weise betätigt und seine Kräfte in den Dienst seines Vaterlandes stellen wird. Hier haben sich Corporationen geschlossen bei den Regimentern gestellt und sind angenommen worden. So das Corps Chattia bei dem 25. Feld-Artillerie-Regiment, die drei noch hier weilenden Rheno-Westfalen bei den Dragonern. Ich reise Montag nach Giessen, um mich dort beim Res. Inf. Rgt. 116 als Offizier-Stellvertreter zu stellen. Sollte Euch bekannt sein, daß Bundesbrüder sich in diesem Regiment befinden, so teilt es mir unverzüglich mit. Es wäre für mich eine große Freude, einen Bekannten oder Bundesbruder im Regiment zu haben. In Darmstadt ist sehr begeisterte Stimmung und große Wut auf die Ausländer, da alle Tage solche Individuen verhaftet werden und allein heute fünf Stück standrechtlich erschossen wurden. [Anm.: Es handelt sich hier um eines der zahlreichen Gerüchte, das erst nach öffentlichen Aufforderungen zur Wachsamkeit gegen Spione entstand und sich verbreitete. Angst, versteckte Wünsche und Hysterie steigerten sich gegenseitig. Vgl. Michael Stöcker: Augusterlebnis 1914 in Darmstadt. Darmstadt 1994, S. 72 f.] Hoffentlich sieht unsere Regierung endlich ein, daß sie sich selbst diese Kerle großgezogen hat und übt nach dem Kriege um so strengere Maßregeln aus. Ich wünsche allen Bundesbrüdern, daß Ihr im Kriege Euren Mann stellen könnt und getreu unseres hohen Wahlspruchs dem Vaterland zum Siege verhelft. Lebt alle herzlich wohl, und wenn ich nicht aus dem Kriege zurückkommen sollte, bewahrt mit ein gutes Andenken und denkt daran, daß ich getreu dem Wahlspruch "Ehre über Leben, Vaterland über Alles" gehandelt habe. In Treue Euer Bundesbruder. gez. Willy Ochs [Es folgen die Abschriften von 5 Briefen und 3 Feldpostkarten] 1. Brief am 10. August 1914 Liebe Eltern! Den letzten Tag in Giessen verbrachte ich noch mit Einkaufen in Gesellschaft von Lilli, bei denen besonders der Revolver eine große Rolle spielte. Nach einem herzlichen Abschied vom Schwesterheim trat ich zu meinen Soldaten und marschierte mit der Kompagnie zum Realgymnasium, wo das Bataillon sich traf und der Major eine kernige Ansprache hielt. Er verlas den Aufruf von S. M. und die Stiftung des Eisernen Kreuzes. Er dankte der Giessener Bevölkerung für die freundliche Aufnahme und schloß: "Ran an den Feind, Koste es was es wolle, Laden und Sichern". Nach dieser etwas t[h]eatralischen Operation gingen wir unter großer Begeisterung der Bevölkerung nach dem Bahnhof, wo wir um 945 abds. verladen wurden. Bestimmungsort unbekannt. Zuerst hielten wir in Friedberg, wo uns auf dem Bahnhof liebe und schöne Mädchen Erfrischungen anboten. In Bockenheim erreichte uns die Nachricht, daß Belfort gefallen sei. (?) Ich war mit 7 Kameraden in einem Zuge und unterhielt mich und schlief ganz gut. In Bingerbrück hielten wir. Nun gabs die große Frage nach Norden oder Süden. (Während der nächtlichen Bahnfahrt war es sehr stimmungsvoll. Während uns der Mond ins Auge schien und wir durch die deutschen Fluren eilten, sangen die guten Oberhessen Bauern einen Choral nach dem andern.) Nach Einnahme des Kaffees in Bingerbrück wurden wir wieder verladen und zwar gings jetzt durch das Nahetal. Zuerst bekannte Ortschaften - wie Kreuznach, Ebernburg, Rheingrafenstein, Alte Baumburg, dann wurde mir die Gegend unbekannt, aber in Köln mußte ich doch einmal herausschauen und ich hatte Glück, denn Frl. H.St. aus Mühlhausen (Els.) war zufällig am Bahnhof und ich verbrachte eine angenehme 1/4 Stunde mit ihr zusammen. Dann gings weiter über Oberstein- Idar, wo ich leider niemand traf, nach Hermeskeil. Um die Mittagszeit (1 Uhr) stiegen wir aus, und marschierten nun bei glühender Hitze, wobei man die ersten Schlappen sah, nach Höfchen und Lascheiterhof (am 11. August). Um 3 Uhr bezogen wir die Quartiere. Lt. Ds. und ich mit 10 Mann hatten ein ganz nettes Quartier und besonders stach uns beiden die eine Tochter, die sehr nett und schon in der Welt war, in die Augen. Aber wir waren beide sehr brav. Es war eine sehr schöne Gegend und wir hatten beide so gar keine Kriegsstimmung. Ds., der verheiratete ist, wollte gar nicht sich hereinfinden, wir probierten dann beide unsere Revolver im Freien und ich konnte konstatieren, daß ich auch angeschmiert war, denn das Luder ging nicht los. Ich glaube, wenn jetzt Mutter einen kauft, dann funktioniert er. Am 12. August war um 6 Uhr Alarm, wir machten eine kleine Übung und um 12 Uhr Aufbruch. Bei Lt. Ds. stand über dem Bett "Herr, bleibe bei mir, denn es will Abend werden," aber das nutzte nichts. So halfen wir uns gegenseitig mit schlechten Witzen, "carpe diem" über die Situation hinweg. Also am 12. um 12 Uhr bei großer Hitze ging es weiter und zwar über Baiersfeld nach Steinberg, eine sehr schöne Waldgegend, - ich hatte Bewachung des Schwammbuckels (??) - und Confeld, wo für mich kein Quartier war. Ich wohne trotzdem ganz gut und schlafe in einem sehr hohen Bett, bei dem man beinahe eine Leiter zum Einsteigen braucht. Essen mäßig - die beiden alten Weiber furchtbar fromm und weinten gleich bei jedem Wort wie Krieg und Tod. Wir haben uns jetzt allmählich daran gewöhnt. 13. August Aufbruch. Marsch über Wieskirchen, Mitlosheim, Losheim, Bachem, Broldorf, Merzig. Merzig ist eine sehr nette Stadt wie Durlach ... peu prŠs. Da ich zufällig eine sehr gutes Quartier habe - Irrenanstalt (??), die aber um 1/2 Stunde von dem Ort liegt, so ziehe ich es vor, im Hotel zu wohnen: Hotel Hoffmann. Trotzdem gefällt es mir bei Kollege F. viel besser im Quartier, denn sein Wirtstöchterlein hatte sehr viel für mich übrig und es tat mir nur leid, daß ich sie erst am freien Tag (14. August) dem Ruhetag in Merzig kennenlernte. Hier lasse ich auch meinen Tornister umändern und in einem Uhrengeschäft meinen Revolver nachsehen. Am 15. August war morgens 1/2 5 Uhr Antreten. Ich freue mich, daß ich 3 Minuten zu früh komme, denn gestern wurde es ziemlich spät - da fährt mich der Häuptling an, weil der Mann seine Uhr auf dem Bahnhofe stellte und diese 5 Minuten vorging. Das hätte mir alles nichts gemacht, wenn nur die kleine Elly nicht dabei gestanden hätte, wie ich meine Cigarre verpaßte. Aber ich werfe ihr doch noch einen lieben Blick zu - und dann kam Lt. Ds. noch später wie ich - und fort gehts - . Auf einmal Halt - weil der Lt. A. seine Fahne vergessen hatte, das ganze Bataillon mußte eine Stunde warten bis die Fahne kam und die Folge war, daß auch die guten Quartiere weggeschnappt wurden. Wir marschierten durch eine prachtvolle Gegend über Mettlach, Orscholz (??) nach Kreuz-Kirchen, Während, wie der Hauptmann sagte, an den ersten Marschtagen besch..... war, mundete es uns heute sehr gut. Der Marsch ist sehr angenehm, es gibt keine Schlappen, nur sind die Quartiere saumäßig. Zufällig finde ich im Hause des Lt. Ds. noch ein dunkles Zimmer, bei dem das Fenster in eine Scheune guckt und in dem außer mir noch ein Bursche schläft. Zur Beleuchtung dient eine rauchende Stallaterne und meine Lampe, - aber die Flöhe im Bette finde ich doch nicht - es wird aber kriegsmäßiger - . Wache vor der Türe, in der Wirtschaft unkontrollierbare Gerüchte über starke deutsche Verluste; eine Kav. Brigade Trierer Jäger und Bonner Husaren sollen in einem Dorfe auf der Verfolgung des Feindes von Maschinengewehren aus fenstern und vom Kirchturm aus niedergemacht worden sein. - Das läßt uns allmählich an den Ernst der Situation erinnern. 16. und 17. August Ruhetag, weil das Kommando sich noch nicht im Klaren ist, wo es uns hinwerfen soll. Am 16. nachts noch ein unfreiwilliges Bad im Wassertümpel - weil die Saubauern die Straße nicht beleuchten, und heute am 18. stand das Bataillon um 1145 am Schloß Thorn bei der Motel (??). Wir marschieren über die Brücke und kommen nach Luxemburg nach Remich (??). Die Bauereien der Häuser und Straßen sind ganz anders, die ersten französischen Inschriften neben deutschen und dann die ersten Colonnen - ein Bataillon schon ist endlos lang, dann kommen noch Maschinengewehrabteilungen, Artillerie, Generalstab - es wird immer ernster, dazu verschärfte Instruktionen - aber vom Feind nichts. Das ganze Luxemburg steckt voll deutscher Soldaten - bis zur Stadt Luxemburg, von uns aus noch 15 km - Großherzogin unverheiratet - wir kommen an einer kleinen Kirche vorbei, wo die Inschrift "Salve pastor bone in populo" von mir frei übersetzt wird in "Gib eine Salve ab, Herr Pastor, es ist gut für das Volk". In Roedt beziehen wir Quartier - schon wieder trübe Nachrichten, daß es schlecht steht - man ist kolossal im Unklaren, weil man weder von Siegen, noch von Niederlagen hört und daher die Stimmung gedrückt - mein Quartier hier auf dem Boden in einem Zimmerchen, das am Tage als Offizierseßzimmer benutzt wird. Man wird sehr genügsam und denkt gar nicht mehr ans Waschen. Morgen gehts wahrscheinlich wieder weiter. herzliche Grüße an Euch Alle Lieben Euer Willy. 2. Brief. 25. August 1914 Biwak südlich Tremblois(Frkr.) Liebe Eltern! Das letzte Dorf, in dem ich Euch schrieb, war Roedt in Luxemburg. Die Leute waren dort noch sehr freundlich. Am 19. marschierten wir über Coutan (??) durch Stadt Luxemburg. L. ist ein sehr schönes Städtchen, in dem das deutsche Militär sehr bestaunt wurde. Wir gingen bis Mal. (??) Mittags 2 1/2 Uhr. Am 20. 8 1/2 Uhr Marsch über Straßen - Simmern nach Culmus und am 21. über Beckerich(??), Ell, belgische Grenze bei Grendel nach Vobrepart (??), Habbay la Veuve, Anlies. Ankunft 6 Uhr abends. Hier war bereits furchtbar viel Militär und Bagage zusammengezogen. Wir schliefen bereits zu dritt in einem Zimmer. Die Leute sprachen nur französisch, waren aber sehr freundlich. Hier aßen wir noch einmal gut. Die zwei vorhergehenden Tage hatten wir uns auch Suppenhühner geleistet und dann gings am nächsten Tag weiter. Morgens 9 Uhr Abmarsch über BohŠme, Leglis. Nach dem Essen wird auf einmal Feind gemeldet. Die Kompanie ist als linke Seitendeckung bestimmt. Als das Bataillon sich zum Gefecht entwickelt, erhielt die 5. Kompanie den Befehl in dritter Linie zu folgen und die Sicherung der linken Flanke zu übernehmen. Sie durchschritt mit Drahtscheren arbeitend, die zahlreichen, den Weg versperrenden Hecken und Wiesenumzäunungen, passierte südlich Const‚mont den steilen Einschnitt der Bahn, nahm zeitweise Stellung auf den Höhen südlich Const‚mont, suchte das Dorf Assenois ab (das ich mit Spitzengruppe zuerst erreichte) und wurde südöstlich Le Sart (??) wieder an die Bahn herangezogen. In weiterem Verlauf des Gefechts entwickelte sich die Kompanie in Richtung Volinfaing, las eine Anzahl verwundete Franzosen auf, machte (auf meine Anordnung) etwa 30 Gewehre unbrauchbar, legte hierauf zwei mit Tornistern und sonstigem Kriegsgerät beladene frz. Wagen. Diese mußten beim Rückmarsch in der Dunkelheit aus Mangel an Zugtieren zurückgelassen werden. Die bei Assenois auf die Kompanie abgegebenen Schüsse gingen erheblich zu hoch, während das in der Dunkelheit bei Volifaing auf die Kompanie gerichtete Feuer offenbar mit viel zu kurzen Visieren abgegeben wurde. Die aufgelesenen Verwundeten gehörten dem 21. und 23. Kolonialregiment an und sagten aus, daß nur diese beiden Regimenter und eine Batterie auf dem rechten feindlichen Flügel sich befunden hätten, und daß die Truppen durch anstrengenden Nachtmarsch stark ermüdet ins Gefecht getreten wären. Abends war vor uns ein großes brennendes Dorf, das den ganzen Himmel erhellte. Man gewöhnt sich allmählich an die Greuel des Krieges. Nachts um 10 Uhr bauen wir Zelte und schlafen sehr kalt. Wir bekommen an diesem Tag den ersten Begriff des Krieges deutlich vor Augen. I.R. 168 hat an diesem Tage sehr große Verluste, meine Kompanie keinen Fall zu verzeichnen. 23. August lange Stellung im Wald, weil feindliche Kavallerie gemeldet war, dann Abmarsch über Assenois nach Suxy (??), in das sich der Feind zurückgezogen hatte. Wir schlafen um 10 1/2 Uhr im Walde unter den Bäumen. 24. August morgens 1/2 5 Uhr Abmarsch auf abziehenden Gegner. An den Straßen große Überreste von abziehenden Franzosen. Tornister, Hosen, Röcke, tote Pferde, ganze Munitionswagen, Manöverkisten bezeichnen den Weg des Rückmarsches. Um 9 Uhr "Halt" vor Pin, weil hier auf Patrouillen geschossen worden sein soll. Verschiedene Häuser brennen bereits, beim späteren Durchmarsch, liegen Einwohner, die die Attentäter gewesen sein sollen, erschossen auf den Wiesen. In den Straßen furchtbarer Rauch. Die Verpflegung wird aus den Dörfern geholt: Kühe, Pferde, Wein sogar Kleidungsstücke, ich habe die erste Flasche Rotwein im Tornister. Marschroute Florenville - Villiers. An der Grenze fährt Artillerie vor. Wir steigen stark und kommen 15 Uhr in äußerst heftige Schrapnellfeuer, das bis 7 Uhr dauert. Wir klammern uns an Abhängen fest, an den Boden, trotzdem hat Bataillon große Verluste. Biwak zwischen Tremblois und Artilleriekampf, der zwischen Mognes und Vielliers stattfand. Vor uns Tremblois brennend. In dem Artilleriekampf hatte unsere Kompanie noch Extra-Auftrag, ging über die franz. Grenze, zog sich aber wieder zurück. 25. August. Aufbruch 6 1/2 Uhr. Durch Tremblois, Florenville. Fast kein Haus ist verschont. Post geht ab, muß Schluß machen. Schreibe gleich weiter. Herzliche Grüße Willy NB. Am 1. September viel erlebt. Große verlustreiche Schlacht überlebt. Einzelheiten im nächsten Brief. 3. Brief 1. September 1914 Liebe Eltern! Ich schreibe gleich weiter. Also am 25. August. Marsch bis südl. Tremblois. Losgehen einer Kanone im eigenen Lager, große Verwirrung, 2 Tote. Auf den Höhen französische Schützengräben mit verschiedenen Toten und 8 Kanonen zurückgelassen. Die Franzosen haben an allen erdenklichen Stellen Schützengräben ausgegraben und zwar schon Ende Juni, lange vor Mobilmachung, ein gutes Zeichen. 26. August. Marsch durch Blagny. Überschreiten des Flusses Lackiers. Stellung v.d. Höhen Saint-Barbe, Marsch bis Vaux. Daselbst Beschießen von Fliegern durch die Truppe, die aber nicht getroffen werden. Übrigens sind wir schon an drei heruntergschossenen Fliegern vorbeigekommen. Die Sache ist doch kolossal gewagt. 27. August. Abmarsch bis Mouzon. Wir treffe abends ein. Alles zu, nur alte Leute, alles dunkel, größeres Städtchen mit hohen Häusern. Plötzlich halten wir auf der Straße, weil von unserer Artillerie nach Franzosen aus dem Ort geschossen wird. Wir freuen uns schon auf gute Quartiere, werden aber schließlich auf nasser Wiese, das ganze Regiment zum Biwak vereinigt. Schlafen von 1/2 11 Uhr bis 330 morgens, dann Abmarsch Richtung Beaumont. Auf dem Wege Kompanie als linke Seitendeckung herausgehoben. Ein Kilom. südlich Kirchlof - Mouson erhielt die Kompanie den Befehl, das Bois Lugnet und die südlich davon gelegenen Waldstücke abzusuchen. Als die Kompanie erstes Wäldchen durchquert hatte, ohne etwas vom Feinde zu entdecken, wurde sie von rückwärts beschossen. Vizefw.(?) Thielerb(??) und seine Gruppe befanden sich noch im Wäldchen. Vizefw. Fischbach (?) erhielt den Befehl mit seiner Gruppe nochmals das Bois du Lugnet von S. nach N. aufzunehmen und der Kompanie alsdann durch das Bois du Fond de Limon zu folgen. Die beiden Vizefw. und ein Mann wuren offenbar von Leuten, die in Erdlöchern saßen, getötet bzw. verwundet. Die Kompanie suchte darauf das Bois du Fond de Limon ab, ohne etwas vom Feind zu bemerken. Etwa um 730 hatte die Kompanie den südöstlichen Waldrand des Bois du Fond ein und erfuhr von einer (Kav.??) Patrouille, daß feindliche Kompanie mit 2 Maschinengewehren eine Stellung (Front N.W.) gegen Belle Epine eingenommen hätte. Der Hauptmann beschloß, diesen Feind anzugreifen, ließ sich von der Kavallerie einen Unteroffizier mit etwa 40 Kav. Schützen zur Verfügugn stellen und gewann, ohne vom Feind bemerkt zu werden, die S.O. Ecke des Bois de l'Hospice. Lt. Dannees (?) erhielr den Befehl zur Sicherung der linken Flanke die nach S.O. vorspringende Nase des Höhenzuges südöstlich Lasortelle ferme zu besetzen. Der Kompanie-Feldwebel Reichart entwickelte sich mit seinem Zuge und den Kavallerie-Schützen (diese auf dem rechten Flügel) auf der Grundlinie gedeckt aus der einspringenden Waldecke heraus, gewann die Höhe und begann mit Visier 1100 und 1200 gegen den vorhandenen Gegner zu feuern, während der Hauptmann mit den beiden anderen Zügen den Lt. Dammees (??) vorausschickte, um den Gegner von der l. Flanke bzw. vom Rücken aus zu befeuern. Noche ehe sich der Druck dieser beiden Züge bemerkbar machte, ging die feindliche Schützenlinie fluchtartig zurück. Feldw. Reinhart machte Sprung vorwärts, feuerte auf den abziehenden Gegner und erhielt alsdann vom Hauptmann den Befehl, sich zur Kompanie hinter die vorspringende Bergnase zurückzuziehen. Diesem Befehl waren etwa zwanzig Leute auf dem rechten Flügel, die unter dem Befehl des Unteroffiziers standen, nicht gefolgt, sie gingen immer weiter vor, gelangten etwa 100 m an die feindliche Art. Stellung und wurden seitdem vermißt, bis auf drei Reservisten, die sich mit großem Schneid durchgeschlagen haben. Jetzt begann ein außerordentlich starkes Artilleriefeuer auf ganz nahe Entfernungen gegen die gedeckt hinter der Bergnase liegende Kompanie einzusetzen, das fast ohne Unterbrechung 3 Stunden lang fortgesetzt wurde. Um 11 Uhr erschien abermals eine feindliche Schützenlinie, die etwa von Punkt 252 aus gegen Belle Epine sich fortbewegte. Gegen die Abteilung wurde von der ganzen Kompanie aus das Feuer mit Visier 800 eröffnet, was zur Folge hatte, daß sie fluchtartig zurückfluteten. Abermals begann das Artillerie-Feuer gegen die Kompagnie zu wirken. Um 1 Uhr entwickelte sich von L‚tanne her ein feindliches Bataillon mit mehreren Geschützen gegen die linke Flanke der Kompanie. Als dieses auf 1000 m herangekommen war, trat die Kompanie mit Sicherungen den Rückzug an durch das in starkem Artillerie-Feuer befindliche Bois de l'Hospice unter Mitnahme der Verwundeten und der den Toten abgenommenen Waffen und Munition. Am Nordrande des Bois de l'Hospice geriet die Kompanie abermals in derartig starkes Artillerie-Feuer, daß sie eine Stunde lang gedeckt halten mußte. Der Feind schien sein Feuer hauptsächlich gegen die beiden nach Villemontry (??) führenden Wege zu richten. Gegen 4 Uhr befahl der Hauptmann zugweise nach Villemontry abzumarschieren und sich dort gedeckt links der Höhe wieder zu sammeln. Als der letzte Zug unter Führung des Hauptmanns aufbrechen wollte, erschien eine feindliche Schützenlinie am Nordrand des Bois de l'Hospice und eröffnete das Feuer gegen unsere auf Höhe 279 und des Bois stehende Artillerie. Der Hauptmann ging in Marsch-Marsch mit dem Zug aus der Deckung heraus, besetzte den nach Villemontry führenden Wegerand und eröffete mit Visier 400 das Feuer gegen die Franzosen, die alsbald fluchtartig zurückgingen. In diesem Augenblick entwickelte sich vom Rande der Höhe 279 eine Schützenlinie der eigenen Truppen gegen uns. Noch ehe sie das Feuer aufnahm, gelang es dem Hauptmann durch Vorlaufen und Winken mit dem Taschentuch dieses zu verhindern. Die Kompanie requirierte darauf in Villemonrty einen Wagenfür die Verwundeten, schickte diese nach Mouzon und meldete sich in der Nähe der Moulins de Gr‚zil bei der Division. Es war ein fürchterlicher Tag. Von 12 Kompanien bestanden jetzt noch 6. . Von meiner Kompanie 2 Vizefw. tot (Fischbach und Thielert, den Lili auch kennt), Lt. Dannes (??) sehr schwer verwundet. Man müßte Nerven wie Eisen haben, um alles auszuhalten. Unser Hauptmann führte die Kompanie äußerst geschickt und verhinderte dadurch große Verluste. Ich selbst habe viele äußerst gefährliche Aufträge des Hauptmanns ausgeführt und oft mein Leben noch etxra riskiert. Aber es war zum Vorteil der Kompanie, die vor unnützen Verlusten bewahrt wurde. Ich bin körperlich vollkommen auf der Höhe gewesen. Aber nach dem 9stündigen Schrappnellfeuer, dem wir andauernd ausgesetzt waren, von 8 Uhr bis 5 Uhr, bin ich nach einem Extraauftrag um 4 Uhr so müde gewesen, daß ich trotz der Gefahr in Stellung eingeschlafen bin. Wir liefen (die ganze Division) in eine ganz gemeine Falle, da von Mouzon aus, das wir passiert hatten, in die feindliche Artillerie Stellung unser Standort telefoniert wurde, und diese uns in geschützter Stellung aus befunkten. (wenn sie nicht mehr zu) Unsere Leute wurden von Franzosen, die in Erdlöchern saßen, welche mit Laub verdeckt waren, beschossen. Wenn sie nichts mehr zum Schießen hatten, krochen sie heraus und durften nicht einmal totgeschossen werden. Ich gewöhnte mich sehr schnell an den furchtbaren Ernst der Lage. Abends sammeln wir die Reste und schlafen am Waldabhange. Aus dem Walde wurden den ganzen Abend Tote und Verwundete herausgetragen. Anblick sehr ergreifend. 29. August. Aufbruch zum Sammeln. Marsch bis Youcy, zum Schutz der schweren Artillerie des Feldheeres. In Youca Biwak. 30. August. Marsch über Stome (??) bis Grand-Armoises. Daselbst Biwak. Ich selbst habe den ganzen Tag nichts gegessen, da ich mir am Büchsenfleisch den Magen verdorben hatte. 31. August. Bedeckung der Artillerie des Feldheeres bis nach La BaliŠre und Sy. Höhe 245 Biwakfeuer. 5stündiges Schrapnellfeuer Den Feind zurückgeschlagen. Es gibt jetzt wahrscheinlich ein Kesseltreiben. Wir sind schon durch sehr nette Gegenden gezogen, der Wald ist immer gefährlich, weil sich darin die Kerle verstecken, in offener Schlacht sind wir ihnen bei weitem überlegen. Es macht direkt Spaß, die Kerle im Felde weglaufen zu sehen. Das Ekelhafteste, was es überhaupt gibt, ist Artillerie-Feuer und Maschinengewehre. Dazu gehören Nerven, die ich zu besitzen scheine. Der Revolver und die Schuhe kamen heute an. Besten Dank. Schickt bald etwas zum Rauchen. Heute gehts nun weiter hinein nach La belle France. Herzliche Grüße an Alle, Bek. und Verwandten und besonders grüßt Euch Euer getreuer Sohn Willy. 4. Brief. La Marc aux Boeufs, 20. September 1914 Liebe Mutter! Ungeheure Freude habt Ihr mir mit dem Stiefelpaket gemacht, da fast lauter Sachen darin waren, die ich sehr gut gebrauche kann, besonders die Leibbinde kommt mir sehr zustatten, da ich gerade diese Nacht meinen Magen wegen der kalten Witterung sehr erkältet habe. Aber mit Hilfe der Binde und einigen Tropfen Opium gehts jetzt wieder. Also das Wetter ist hundsmiserabel, hat jeden Tag Strichregen und Wind und teilweise kalten Sonnenschein. Auf jeden Fall ist man meistens naß von oben bis unten naß, und es kommen daher die wollenen Sachen sehr gelegen. Und jetzt will ich Euch berichten, was ich seit dem 3. Sept. erlebt habe. Von St. Pieremont ging es in einem Marsch von 12 Uhr mittags bis 3 Uhr nachts über Foutenois (??) nach Grand Pr‚. Hier wurden wir von Artillerie-Feuer überschüttet. Am 4. in größer Mittagsglut, bei der viel schlapp machten, bis Valmy. Am 6. Marsch über Pohsehse (??) Charmont. Bei Vois (??) heftiges Artillerie-Feuer. Hier sollen 2 feindliche Armee Korps von uns eingeschlossen werden. An diesem Tage treffe ich zufällig Wickop. Wir gehen bis Brabant le Roi vor, nehmen es und visitieren die Häuser. Dann weiter und nehmen eine verlorene feindliche Batterie ein. Beim Vorgehen schlug ein Blindgänger 1/2 m neben mir ein, ich hatte großes Glück! Vom 7. bis 9. liegen wir bei Brabant. Den ganzen Tag in heftigsten feindlichen Art. Feuer. Wir besetzen verschiedene Stellungen und graben uns nachts Schützengräben, in denen wir schlafen. Der Feind ist hier sehr stark mit Artillerie aufgefahren, schießt aber blindlings, ohne viel zu treffen. Trotzdem ist die Nervenanspannung sehr groß. Um 12 werden wir endlich abgelöst, nachdem wir 5 Tage lang bis nachts 9 bis 10 Uhr Art. Feuer auszuhalten hatten. Wir hatten den Auftrag gehabt, den Feind aufzuhalten. War der Marsch bis jetzt südöstlich, so gehen wir von heute ab wieder n. westlich. Wir kamen durch traurige, verlassene, völlig ausgebrannte Dörfer bis Giacy (??), in dem wir Ortsbiwak bezogen. Für die 3 Offiziere requirierten wir eine verlassene Villa, wo wir alles demoliert und durcheinander vorfanden. Nach 3 Wochen sahen wir das erste Mal wieder ein Bett. Wir konnten uns trocknen und waschen. Ich lag schon 2 Stunden im Bette, als ich mit meinem Zuge an den Ausgang des Ortes auf Feldwache geschickt wurde. Das Vergnügen war vorbei, denn nun wurden wir wieder bis auf die Haut naß. Am 13. Marsch bis Vienne la Ville. Biwak. Die Kompanie kommt wieder auf Vorposten. Die letzten Tage waren äußerst anstrengend und es gab viele Kranke. Am 14. Marsch bis Seroon. Biwak. Beim event. Angriff müßte ich mit Halbzug in der Nacht vorrücken. Der Vorgang kommt aber erst am 15. mittags zur Ausführung. Zuerst 1/2 Zug der 8. Kompanie und dann ich mit 1/2 Zug gehen wir in Schützenlinie bei heftigem Inf. Feuer zur (??) Höhe vor und besetzen dann eine Stellung. Der Feind schoß aus dem Walde heraus und war sehr schwer zu erkennen.Ich hatte im Zuge 1 Toten und 3 Verwundete. Es lagen noch Leute vom 10. 38. 83. Reg. in Schützenlinie da. Plötzlich brachen die anderen Regimenter bei Dunkelheit vor (??) und ein Zug der 8. Kopmanie und mein Zug bekamen den Befehl, sich einzubuddeln und die Nacht hierzubleiben. Das war nicht sehr verheißend bei dem strömenden Regen. Vereinzelt fielen noch Schüsse, um die wir uns aber nicht kümmerten, sondern wir machten bei dem P.....(??)wagen in der Dunkelheit einen Schützengraben und verbrachten die Nacht, ohne ein Auge zuzutun. Um 4 Uhr, nachdem ich etwas geruht hatte, stand ich auf und sah verschwommen am Horizionte Gestalten - circa 30 Mann - stehen. Wir kümmerten uns nicht darum, aber bald erkannte ich mit meinem guten Glase, daß es Rothosen waren, die auf 750 m von uns entfernt Schütezngräben aushoben. Sie schienen uns nicht zu bemerken, denn verschiedene hatten die Röcke aus, aber alle standen in voller Figur da. Ich benachrichtigte den Komp- Führer und den anderen Zug der 8. Kompanie, verteilte meine Leute im Schützengraben und ließ eine Salve abgeben, die auch ihre Wirkung nicht verfehlte, es blieben viele liegen und die zurücklaufenden haben wir noch einzeln abgeschossen. Nun bekamen wir von 3 Seiten Feuer. 2 Züge kamen uns noch zu Hilfe und wir blieben im Graben bis 1/2 2 Uhr. Links von uns 600 m. Entfernung ist der große Argonnenwald, der voller Feinde steckte. Um 1/2 2 Uhr gehen wir zurück, d.h. wir werden abgelöst, es war aber auch die höchste Zeit, 1/2 Stunde später und wir wären gefangen gewesen. Beim Zurückgehen verliere ich noch einen Mann (tot) und einige Verwundete. Vom 17. bis 20. sind wir nun bei La Marc aux boeufs auf den Feldern und graben uns ein. Heute ist mein Zug in letzter Linie. Wir hatten zeitweilig noch flottes Art. Feuer, aber auch wir funkten gut. Mein Zug hat sich Unterstände gebaut, da wir noch einige Tage hier bleiben sollen. Unser Armeekorps hat den Zweck, den Feind aufzuhalten, daß er nicht nach Paris abziehen kann. Um Paris sind jetzt 17 Armeekoprs vereinigt, die eine Entscheidungsschlacht herbeiführen sollen. Diese ist im Gange und Erfolg zu erwarten. Gestern liefen 400 Franzosen zum 118. Reg., da sie es nicht mehr aushalten vor Hunger. Mit der Verpflegung ist es bei uns sehr gut, da alles an Vieh, Holz, Wein aus den Dörfern requiriert wird, ja sogar Türen werden geholt, um uns dienlich zu sein. Wie es dann in den Dörfern aussieht, könnt Ihr Euch vielleicht vorstellen, ich glaube es aber nicht, da es zu traurig aussieht. Die Frucht, die auf den Äckern in Garben steht, wird zu Lagern benutzt, sämtliches reifes und unreifes Obst wird heruntergemacht, Bäume einerlei welche Art gefällt, um Unterstände und Verhaue zu machen. Es sieht trostlos aus. So nun habe ich meine Sonntagsandacht gehalten und mit Euch geplaudert, ich hoffe auch von Euch bald was zu hören. Morgen werde ich in Gedanken viel bei Lili sein, die ihren Geburtstag wohl feiern wird. Also lebt herzlich wohl bis zum nächsten Mal und seid alle vielmals gegrüßt und geküßt von Eurem dankbaren Sohn Willy. Heute der erste Sonntag an dem man Ruhe hat. 5. Brief Seroon, 28. Sept. 1914 Liebe Lili! Vor allem besten Dank für die Cigarren, ich habe jetzt 4 Pakete Cigaretten erhalten. Vor allem bitte ich Euch, die Pakete recht gut zu verschließen, möglichst Originalpackung, da sonst die Paketbriefe halb herankommen. Also ich bin seit 18. Leutnant und seit 23. Kompanieführer der 5. Kompanie R. 116. Am 23. hatten wir ein Gefecht, bei dem unser Kompanieführer verwundet wurde gleich zu Anfang. Ich übernahm im Gefecht das Kommando über die Kompanie, wir gingen äußerst forsch vor, und wie ich mich abends beim Major meldete, gratulierte er mir und sagte, die 5. Kompanie hat ihre Sache "glänzend" gemacht, am besten vom ganzen Bataillon. Ich war sehr stolz auf mein erstes Debut. Wir hatten an diesem Tag sehr schwere Aufgabe, durch völlig ungedecktes Gelände im Schrapnellfeuer vorzugehen. Trotz der vielen einschlagenden Granaten - eine krepierte 3 m links von mir - blieben nur 4 Tote und 26 Verwundete. tags darauf blieben wir noch in Seroon, zogen am 25. nach Cord‚ ins Quartier , wurden am 26. schon um 6 Uhr alarmiert und lagen wieder im Granatfeuer. Das schrecklichste aber waren die französischen Flieger, die uns mittags besuchten und 5 Bomben warfen. Eine flog 15 m vom Bataillon nieder, hatte aber keinen Erfolg. Wir lagen in enger Mulde, hörten und sahen das Ding herunterfallen und konnten nirgends ausweichen. Kurze Zeit vorher bekam ich durch langes Liegen auf nassem Boden Magenkatarrh und Durchfall, auch weil ich nasses Kommisbrot gegessen hatte, und mußte mich deshalb krank melden. Ich ging mit meinem Burschen nach La Marc aux boeufs und fand wenigsten trockene und warme Unterkunft. Mit etwas Pfefferminztee rappelte ich mich auf, ich konnte es aber nicht lange hinter der Front aushalten und ging am 27. mittags wieder zur Kompanie. Du hättest die Freude von meinen Kriegern sehen sollen, wie sie alle mich begrüßten und sich freuten, mich wiederzusehen. "Jetzt gehen wir wieder gern ins Gefecht, wenn Herr Leutnant da ist," hörte ich fast von allen Seiten. Der 27. ist auch deshalb denkwürdig, weil ich zum ersten Mal mein Pferd ritt. Es stehen 2 Pferde für mich zur Verfügung, von denen ich natürlich gleich eines bestieg. Die Sache war aber deshalb sehr schwierig, weil ich neben der schweren Artillerie durchreiten mußte, die einen kolossalen Lärm mit ihrer Schießerei machte, und mein Roß unruhig wurde. Stelle Dir nun Deinen Di... (??) vor, als Komp.Führer hoch zu Roß im feindlichen Art. Feuer! Bis Du nun stolz? Ich setzte auch schon durch einen Bach, schlug einen leichten Trapp [!] an, es geht sehr gut, nur einmal flog mein Helm beim Bocken des Gaules mir vom Kopfe. Nachts bezogen wir Biwak, wurden aber wieder alarmiert und zur Verfügung der 21. Division nach Seroon geschickt. Jetzt war gerade eine ruhige Minute, in der ich Dir den Brief schreibe. Wir haben jetzt starke Art.Verstärkung bekommen und greifen wahrscheinlich heute noch an. Der Feind ist wie immer im Wald, kommt nur nachts heraus und überschüttet uns am Tage mit Granaten. Jetzt ist die ganze Kompanie in einem Hause untergebracht. Du solltest den Jammer sehen. Einer macht zufällig eine Türe auf und findet dort drei alte Frauen, die nicht mehr laufen können, ganz zusammengekauert sind und heulen. Mit Hilfe meiner französischen Kenntnisse stellte ich fest, daß sie 3 Tage nichts mehr gegessen haben. Ich lasse ihnen von meinen Leuten Brot und warmen Kaffee geben, wofür sie mir rührend danken. Seit 14 tagen sind sie nachts im Keller und trauen sich überhaupt nicht zu den deutschen Soldaten. Ich schrieb einen Zettel, wonach die Leute gut zu behandeln seien. Viele herzliche Grüße und Küsse an Dich und die lieben Eltern. Euer Willy. Feldpostkarte Seroon 6. Oktober 1914 Liebe Eltern! Mir gehts noch gut. Habe soeben das Eiserne Kreuz verliehen bekommen. Viele Grüße. Euer Willy. Feldpostkarte Anby (?) 8. Oktober 1914 Liebe Eltern! Wir werden heute mit der Bahn verladen und kommen wahrscheinlich nach Lille. Gruß Euer Willy. Feldpostkarte Warneton (?), 17. Oktober 1914 Liebe Eltern! Nach 3tägiger Bahnfahrt und großem Marsche sind wir hier in Stellung südlich des Flusses La Lys und erwarten den Gegner. Bis jetzt noch gut. Meine Pferde laufen gut. Hoffentlich hat die Post nähere Nachricht von Euch. Wir sind jetzt (Komp. Stab) im kleinen Haus, wo wir denganzen Tag essen und schlafen. Herzliche Grüße und Küsse an Alle. Euer Willy. Morgen kommt Brief. Drei Tage vor dem Eintreffen der letzten Feldpostkarte erhielten die Eltern unerwartet die tieftrauroge Nachricht, daß ihr Sohn Willy am 23. Oktober 1914 westlich von Lille den Heldentod für das Vaterland erlitten hatte. Ochs Kgl. Rechnungsrat. [Original-Postkarte, 26. 9.] Seroon, 25. 9. 1914 Liebe Eltern! Nachdem wir 2 Tage ununterbrochen im Schützengraben lagen, übernachteten wir in einem Keller + gingen um 12 Uhr mittags gestern ins Gefecht. Gleich zu Anfang wurde der Komp. Führer verwundet, sodaß ich das Kommando über die Komp. erhielt und das volle Lob meines Bat. Führers einheimste. Es funktionierte alles tadellos. Meine Komp. hatte 4 Tote, 26 Verwundete, 3 Vermißte. Ich führe also jetzt die Kompagnie. Gestern nacht räumten wir d. Stellung und liegen jetzt wieder im Keller. Das Bat. hatte 200 Mann Verlust. Eine Granate krepierte 3 Meter neben mir, blieb wie durch ein Wunder unverletzt. Gestern erhielt ich Zeitungen vom 9., 11., 17., 16. Sept., ein Brief von Hoffmann und Karte von Lili vom 16. 9. Herzl. Dank. Ich bin noch wohlauf und hoffe dasselbe von Euch. Habe am 21. 155 Mark abgesandt. In den nächsten Tagen folgt mehr. Schreibt mir regelmäßig, ich nutze auch jede Minute aus, denke immer an Euch. Keine (??) Sorgen um mich. Viele herzliche Grüße euer getr. Sohn Willy. |