Dokument


Philipp Lang


Lebenslauf:



[Begleitbrief]

H. Sames
Baugeschäft
Darmstadt, den 15. Januar 1916
Pallaswiesenstraße 26/28
TELEPHON Nr. 190

An
Histor. Museum und Archiv der Stadt
D a r ms t a d t.

Ihrer gefl. Zuschrift vom 8. November 1915 nachkommend übersende ich anliegend ein Bild meines am 25. September gefallenen Neffen

Philipp Lang

Sowie einen kurzen Lebenslauf und Abschrift eines Briefes aus dem Felde.-

Hochachtungsvoll

H. Sames

[Lebenslauf]

Philipp Lang,
geboren am 18. September 1893 zu Trebur, Sohn des Schmiedemeisters Philipp Lang und seiner Ehefrau Christine geb. Schad. Derselbe besuchte bis zu seinem 12. Lebensjahre die höhere Bürgerschule in Gross-Gerau, dann das Realgymnasium in Darmstadt. Im Frühjahr 1913 bestand er die Reifeprüfung und wurde von der mündlichen Prüfung befreit.- Von da ab studierte er elektro-chemie an der Hochschule in Darmstadt, war aktiv bei der Burschenschaft "Rugia". Von seinem 12. Lebensjahr ab wurde er an Kindesstatt bei den Eheleuten dem Maurermeister und Stadtverordneten Heinrich S a m e s und dessen Ehefrau Margarete geb. L a n g erzogen.- Nachdem er als Kriegsfreiwilliger in keinem hiesigen Artillerie - Regiment unterkommen konnte, diente er vom l3. Januar 1915 beim Reserve Infanterie Regiment Nr. 81, 3. Kompagnie und ist in der Champagne Schlacht am 25. September 1915 den Heldentod fürs Vaterland gestorben.-





Selbstzeugnis:


A b s c h r i f t .
......................

Feldpostbrief
von
Stud.chem. Philipp L a n g, gefallen am 25.Septbr.1915.

Chalorange,den 7.Juni 1915.

Lieber Onkel & Tante !.
Soeben habe ich Euer lb. Paketchen (Hartspirituskocher, Ersatzbatterie & Choccolade) erhalten. Schade nur, dass ich es noch nicht im Schützengraben hatte.
Doch es wird nicht lange dauern,da werden wir wieder einmal in die Front kommen. Man kann sich in der freien Zeit mal eine Tasse Kaffee oder Fleisch warm machen.
Besten Dank für alle die guten und nützlichen Sachen, die ich bis jetzt von Euch in 13. Paketchen erhalten habe. Wir sind jetzt hier 15. km. hinter der Front, in Ruhestellung. Wir haben wieder 50 Mann Verstärkung, Ersatz aus Mainz bekommen.
Einesteils ist es hier doch angenehmer als im Schützengraben. Mann hat Nachts Ruhe und warmes Mittagessen. Doch auch hinter der Front wird feste exerziert.
Dabei haben die Einjährigen (Offiziersaspiranten) nebenher noch besonderen Drill.
Es strengt ja mehr an, d.h. man schwitzt mehr als im Graben, doch die Nerven ruhen mehr aus. In den 14.Tagen hatten wir vier Tote und mehrere Verwundete in der Kompagnie. Schon beim Einrücken in den Schützengraben wurden wir mit Schrappnells begrüsst, doch glücklicherweise wurde niemand getroffen. Von unserer Korporalschaft waren 2. Mann bestimmt, zum Gepäck von Höhe 150 zu bringen. Doch sie hatten genug und waren froh, im Schützengraben glücklich angelangt zu sein. Für den einen ging ich dann hin, dafür brauchteich die Nacht kein Posten zu stehen. Erst am anderen Mittag, am Pfingstsonntag zog ich mit einem Kameraden auf Posten und zwar gleich auf den, am weitesten vorn, etwa 30 m vorm Feind. Kaum nach einer Stunde eröffneten die Franzmänner ein gewalt. Feuer auf uns. Ein Geschoss ging meinem Kameraden mitten durch den Kopf, er war das erste Opfer. Ich musste dann allein noch fast eine Stunde allein den Posten versehen, das war gerade nicht sehr angenehm. Auf diesem Posten allein hatten wir noch 2.Tote und 3 Verwundete. Wir mussten alle 2 - 4 Stunden 2 Stunden auf Posten ziehen.So ging es 14 Tage lang. Das strengt die Nerven an. Zweimal versuchten die Franzosen uns in die Luft zu sprengen; doch ohne den gewünschten Erfolg, die ganze Gegend erzitterte und es glich einem starken Erdbeben; doch nicht stark genug um unsere Unterstände und Gräben zu verschütten. Die Hauptwaffe der Franzosen sind die Mienen. Sie werden bis 400 m geschleudert und explodieren mit ungeheurem Knall. Mann sieht sie jedoch fliegen, und kann sich meist noch schnell in Sicherheit bringen. Über den vordersten Graben flogen sie meistens hinweg. Hierher kommen fast ausschlieslich Handgranaten und Gewehrfeuer. Natürlich schleuderten wir auch Handgranaten hinüber und zwar mit mehr Erfolg als die Franzmänner. Diese Handgranaten müssen entzündet 4 sec. gehalten und dann fortgeschleudert werden. Einer unsere Leute wurde dabei von der eigenen Granate in Stücke gerissen; er hatte sie zu lange in der Hand gehalten. Wir waren froh als der 3.Juni da war, an dem Tage abends sollten wir abgelöst werden. Möglich dass die Franzmänner etwas davon merkten, denn abends 6 Uhr versuchten sie einen Feuerüberfall bis 1 Uhr. Handgranaten sausten herüber und hienüber. Der Angriff wurde glatt abgewiesen. Um 1 Uhr wurden wir dann abgelöst; schnell wurde der Aff aufgehängt, um glücklich wieder einmal aus dem Feuer herauszukommen, verdufteten wir uns so schnell wie möglich. Von hinten kamen noch einige Schrapnells nach. Vor Cerney bekamen wir warmen Kaffee, die Turnister [!] wurden aufgeladen, dann ging es weiter. Um 5 Uhr kamen wir glücklich in Chalorange an. Wir liegen jetzt in einem Zimmer auf Strohsäcken, doch schöner als in den Höhlen des Schützengrabens. Jeden Abend spielt die Regimentsmusik. Heute morgen hatten wir Feldgottesdienst. Doch leider wird dieses Leben nicht lange dauern, dann gehts wieder zur Front. Was wir am meisten vermissten war warmes Essen und Trinkwasser. Die Fleischbüchsen mussten wir kalt essen. Es durfte kein Feuer gemacht werden wegen Rauchentwicklung. Nun Schluss für heute!
Herzliche Grüsse
Euer Neffe
Philipp


[Aus dem Lebenslauf: Umstehend Abschrift eines Aufsatzes aus seinem
Nachlass.]

D e r T o D
Blut dampft vom Schlachtfeld auf und wird zur roten Wolke.
Eine weisse Wolke aus Tränen der Heimat segelt heran.
Weiss fliesst zur rot. Eine Fahne schwebt rot-weiss über dem Schlachtfeld.
Der Fahnenschaft ist ein langes Kanonenrohr und der es schultert ist der Tod.
Langsam wandelt er über das Feld. Tastend fühlt ihn der Abend. Stöhnen und Schreien ringelt sich drosselnd um seinen Hals.
Aber der Tod macht ein Zeichen. Da fallen die Knäuel der Schreie vom Nacken des Abends. Die Sterbenden richten sich auf. Die Augen dachen sich ab vor dem Glanze des Todes:
"0,Tod wie gewaltig bist Du ? Das wussten wir nicht."
"O,Tod, wie schön bist Du? Das wussten wir nicht."
"O,Tod, wir fürchteten Dich und kannten Dich nicht."
"O Tod, seit einem halben Jahrhundert nahtest Du uns in Limonade verdünnt, von Aerzten zerredet, zerbröselt und picktest uns gähnend aus Kehrichthaufen von Medizinund Flaschen, bis kein Sterben mehr war sondern ein Morden."
"O,Tod, wie warst Du uns ein QuäIer, von flennenden Tanten an glatt gestrichenen Betten umstanden.
"O,Tod, den wir als Chergen nur kannten.
Du hast Dich uns heute als König enthüllt.
König schreite voran, wir folgen getrost !