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[Klicken, um Vergrößerung zu betrachten] Brief des Otto Schmuck

Dokument 16

Brief des Otto Schmuck aus russischer Kriegsgefangenschaft (Lager Nr. 7289/I) an Bürgermeister Böhm, Groß-Bieberau, 17. Juni 1949 (StadtA Groß-Bieberau):


17.06.1949

Lieber Freund Georg und Familie,

habe mir eine Karte zugekauft, um Dir nach sehr langer Zeit ein Lebenszeichen mal wieder geben kann. Hatte Dir schon einmal geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Hoffe von Dir und deinen Lieben Gesundheit und alles Gute, von mir werde ich Dir nicht viel sagen brauchen. Denn Du weißt, wie lange der Krieg schon aus ist und ich Dir heute noch einen Gruß aus der Gefangenschaft senden muß. Hart und schwer ist das Leben, Du weißt es am Ersten, wie auch ich als freier Mensch damals mit meinen Lieben und Euch lieben Freunden in Wald und Fluren singend und fröhlich bewegt habe. Wird dies noch einmal wahr, ich weiß, wenn ich von Euch geholt werden könnte, wäre Euch nichts zuviel. Habe auch meine ersten Jahre hier mit Geduld ertragen, aber nun müßte doch bald mal etwas Annehmbares für uns geschehen. Die freudige Nachricht, wie ich im März nach Hause schrieb, ist nun auch wieder anders. Es waren einige, aber mehrere auch noch andere Richtungen. Wie hart und gefühllos unsere Herzen geworden sind, ist einem freien Menschen fremd. Manchmal könnte einem auch der Gedanke kommen, daß Ihr zu Hause annehmen tut, ja die wollen vielleicht gar nicht nach Hause. Aber bitte keine Täuschung. Lieber Georg, ich habe es satt. Füge mich aber trotzdem, denn andere Länder, andere Sitten und Gott möge mich gesund erhalten und baldigst heim bringen. Hätte gern einmal einen Brief von dir, wie es in der Gemeinde steht und geht. Ich kann mir denken, daß Du einen harten Weg zu gehen hast, um jedem Wunsch gerecht zu werden. Habe nun von meiner lieben Frau einen Brief vom 27. 5. erhalten, in demselben muß ich leider ihre schwere Krankheit erneut wieder lesen. Hat eben mit dem Herzen viel zu tun. Du kannst meine Sorgen und Gedanken ermessen und man könnte rasend werden, kann aber nicht helfen. Ich bitte Dich, soweit Du in der Lage bist alles zu tun, um vielleicht an ihrer Unterstützung eine Aufbesserung zu gewinnen. Ich weiß genau, wenn meine liebe Frau selbst könnte, würd sie durch fleißiges Arbeiten alles bestreiten. Ich weiß auch, lieber Georg, daß es, wo der Mann fehlt trostlos aussieht und doch wollen wir zufrieden sein gegen die Leute, wo heimatlos geworden sind. Ich will die Karte voll schreiben, Du wirst Dir zu helfen wissen, es reicht ein bißchen Klebstoff, um mir meine Adresse wieder zu senden. Von unserm Lagerleben kann ich Dir, da es ein Großes ist, ein[e] prima Kapelle und ein[e] ausgezeichnete Theatergruppe verraten. Es ist einfach im deutschen Menschen ein[e] große Kunst und ein strebendes Erscheinen, da kann man nur staunen. Eines will ich Dir aber sagen, wenn man da mal reinkomt, so ist einem wohl, eine Freude, diese fantastischen Kerle anzusehen und zu hören. Aber sobald man wieder raus ist und man betrachtet sich wieder in seinem ewigen Anzug. Gell Georg, Du könntest es erraten, aber lassen wir es sein, denn ich will, daß die Karte ihren Weg findet. Unsere Arbeit ist noch Aufbau und am Tage 8 Stunden. Richte bitte viele Grüße an meine liebe Familie aus, wenn Sie Dich um einen Rat bitten, geben ihnen Auskunft. Hätte auch mal gerne gewußt, was die andern George machen. Hast Du noch Georg bei dir, ist Euer Ludwig in Eurem Betrieb? Wie geht es sonst im Ort? Ist der Gesangverein rüstig? Grüß bitte Herrn Lütker und eines Bitte ich Euch, vergeßt uns nicht!! Denn wir wollen auch nochmal in die Heimat. Sage bitte meiner lieben Anna Bescheid, sie soll tapfer aushalten, es wird dieses Jahr doch noch ein Wiedersehen geben und dann soll alles wieder gut werden. Ist denn nun wieder mehr Arbeit in den Betrieben?

Auf recht baldige Antwort und alles Gute grüßt Dich aus weiter Ferne
Dein Freund Otto.

- Viele Grüße an alle, die nach mir fragen, extra Grüße an meine liebe Frau und Kinder. Auf Wiedersehen.