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Durch Hass zum Mut? Kriegspropaganda im Bild




Wir kennen "Propaganda" heute unter freundlicheren Begriffen: "Werbung" oder "Öffentlichkeitsarbeit". Das hinter diesen Etiketten liegende Phänomen prägt die Lebenswelt der Erwachsenen und Jugendlichen gegenwärtig gleichermaßen und wird - mit oder ohne kulturkritisches Stöhnen - akzeptiert. Aber Propaganda hat auch eine Geschichte: Sie wurde im Ersten Weltkrieg entwickelt, um Millionen Soldaten und Zivilisten von der hehren Gerechtigkeit des eigenen, der ruchlosen Niedertracht des gegnerischen Kämpfens zu überzeugen.

Propaganda für einen Krieg dürfte heute Ablehnung und Empörung hervorrufen. Es ist wohl kaum denkbar, dass heute Postkarten verschickt würden, die die Bombardierung einer Stadt aus der Luft als Motiv haben, wie hier, wo ein Luftangriff durch einen Zeppelin auf Antwerpen gezeigt wird, einschließlich der brennenden Häuser, die den "Erfolg" dokumentieren.

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Aus dem Fotoalbum von Ludwig Pulg (Foto: Wolfgang Brühl)


Im Ersten Weltkrieg wurde zum ersten Mal eine ausdrucksstarke Propaganda betrieben, die nahezu kein Mittel von Heroisierung wie Diffamierung ausließ. Durch Plakate, Fotos, Bücher, Broschüren, Gedichte, Postkarten, Filme, Ausstellungen wurde in bisher unbekanntem Ausmaß um die Meinungs- und Stimmungsbildung im eigenen Land und in den gegnerischen wie den neutralen Ländern gekämpft. Es wurden Feindbilder aufgebaut, bei denen Motive und Vorgehensweisen der Gegner stets mit Aggressionen aus niedrigen Motiven gleichgesetzt wurden. Das eigene nationalen Selbstverständnis hingegen wurde positiv übertrieben, ja geradezu verherrlicht dargestellt, mit dem Glauben an die eigene Äberlegenheit und die Gewissheit des Sieges. Die psychologische Kriegführung mit der Propaganda als Waffe entsprach in ihrem Wesen den gesellschaftlichen Veränderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und korrespondierte mit Massenteilnahme am Massenkrieg. Während zu Beginn des Krieges kaum Vorbereitungen für den Einsatz dieses neuen Instruments festzustellen waren, wurde die Funktion der Propaganda als "Waffe" zunehmend erkannt und bis zum Kriegsende weiterentwickelt. Die Behauptung führender Vertreter der deutschen militärischen Führung, die eigenen Truppen seien stärker durch das "Gift" feindlicher Propaganda als durch militärisches Versagen geschädigt worden, steht zu sehr im Kontext der Dolchstoßlegende, als dass sie unreflektiert übernommen werden darf. Andererseits gibt es aber Hinweise, dass die überlegenen Propagandaaktionen der Entente nicht vergeblich waren.

Die "nicht gewaltsamen Kriegsmittel" waren vielfältiger Natur: Flugblätter, Plakate, Fotos und Filme, Karikaturen sowie Wort- und Bildbeiträge in Zeitschriften, schließlich auch noch verschiedene Produkte der Militär- und Schlachtenmalerei.

Wir stellen nun vier unterschiedliche Propagandamittel vor: Plakate, Flugblätter,Fotografien und Postkarten.



SeitenanfangPlakate für den Krieg

Im internationalen Kampf der Bild stellen die Plakate wohl die eindrucksvollsten Beispiele dar. Sie waren auf leichte Verständlichkeit und schnelle Wirkung - vor allem an der "Heimatfront" - ausgerichtet.

Die Plakate der Entente - Mächte ächteten das Deutsche Reich als Angreifer.
In politischer Karikatur und bissiger Satire erschienen die Deutschen als "Militaristen", "Barbaren", "Hunnen", und "Pickelhaubenträger", oft mit den Gesichtszügen Wilhelms II., die Gräueltaten verübten.


Diffamierende Darstellung der Monarchen von Österreich - Ungarn, Deutschland und der Türkei. Die Karikatur verzerrt die Gesichtszüge ins Primitive, um das "Barbarische" zu betonen.



Die nationale Symbolfigur Englands, "John Bull", wird in dieser deutschen Karikatur mit negroiden Gesichtszügen versehen, eine Anspielung auf die farbigen Kolonialsoldaten, die die Engländer einsetzten. Zugleich eine rassistische Herabsetzung des Kriegsgegners. (Beide Abbildungen aus: Damals, Heft 8/ 1998, S. 21f.)



Dieser "Bajonettkampf im Vordringen der Deutschen nach Calais" suggeriert eine gemalte Äberlegenheit der deutschen Soldaten (Archives départementales du Nord)


Die Äberzeugung von den eigenen Werten sollte gestärkt und in nationale Begeisterung umgesetzt werden. Ob derartige Versuche ihr propagandistisches Ziel erreichten, mag bezweifelt werden.



SeitenanfangFlugblätter

Alle am Krieg beteiligten Nationen verwandten mehr oder weniger nachdrücklich und geschickt dieses Propagandamittel, wobei im Laufe der Kriegsjahre eine erhebliche Ausweitung feststellbar war.

Engländer und Franzosen nutzten die vorherrschenden Westwinde für den Einsatz von Gas- und Heißluftballons zum Transport. Diese beiden Staaten hatten auch den größten Anteil am Flugblatteinsatz. Im August 1918 gab die deutsche militärische Führung ihre Zurückhaltung in dieser Frage auf und erteilte nun keine Leser- und Verteilerverbote, Ablieferungsbefehle oder -prämien mehr, um der gegnerischen Propaganda entgegenzuwirken.


Englisches Flugblatt an deutsche Soldaten, durch Ballon abgeworfen. Als Verfasser werden "Eure deutschen Kameraden in englischer Gefangenschaft" angegeben, um die Botschaft " der Krieg kann von den Deutschen nicht gewonnen werden " glaubwürdiger zu machen. (Archives départementales du Nord)




SeitenanfangKriegsfotografie

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Mit solchen Parolen sollte die Angriffslust in den eigenen Reihen gefördert werden. "Schützengraben des 1. Bat. des Leibgarderegiments 115 in Frankreich". (Foto: Stadtarchiv Darmstadt)



Offiziere besichtigen einen gestürmten französischen Schützengraben mit toten Feinden. (Aus dem repräsentativen Erinnerungsbuch: Die Hessen im Weltkrieg 1914 - 1918. Hg. Von F. W. Deiß, Major a.D., Charlottenburg, o. J., S.56)




SeitenanfangPostkarten

Auch den Soldatenbriefen der Darmstädter Weltkriegssammlung liegen vielfach Postkarten bei.

Die folgenden Postkarten aus der Familiensammlung von Wolfgang Brühl wurden von dem Darmstädter Soldaten Ludwig Pulg geschrieben. Die Bildmotive zeigen die verschiedensten Arten, den Soldaten Selbstbestätigung zu geben und sie damit weiter zu motivieren:

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Text auf der Karte: Zum Andenken. Brief folgt. ?
Auf der Rückseite der Postkarte von Ludwig Pulg an seine Frau liest man:

1. Nov. 1915

Liebe Frau!

Ich sende Dir nebst Kindern die herzlichsten Grüße & K. Mir geht es noch gut. Desgl. Hoffe ich (auch von) Euch. Hoffentlich baldiges Wiedersehen.

D.tr. Mann


Solche Postkarten von zerstörten Gebäuden oder Kirchen sind wohl als eine Art Erfolgsmeldung zu deuten. Der Text auf der Rückseite hat mit den Bildmotiven überhaupt nichts zu tun. Das gilt für eher scherzhaft - erotische Motive wie dies:


(Text auf der Karte): Nette Kerle, das fehlt uns noch ? 27. 6. 1917, Ruhsland Jakob


(Text auf der Rückseite, verfasst von Pulgs Schwager Jakob Weckbacher):

(An) Fränzel und Louis ? (Euer) Paketchen mit den vorzüglichen Sachen mit vielem Dank erhalten und es freut mich sehr, dass es Euch noch gut geht, was bei mir auch noch der Fall ist. Wir haben noch schönes Wetter, das ist das einzige was schön ist, das andere ist alles (??)... grüßt Euch herzl. ..... Wiedersehen

Jakob


Als "Erfolgsmeldung" - wenn auch nicht kriegerischer Art - ist sicher diese Karte zu verstehen:




Schwer nachzuvollziehen ist, welche Emotionen wohl solche Karten ausgelöst haben können, die Soldatengräber oder -friedhöfe zeigen:




Auch hier kontrastiert der Text auf der Rückseite in fast erschreckend banaler Weise. Vermutlich war aber die Tatsache, dass ein Lebenszeichen (wie stereotyp auch immer) empfangen wurde, wichtiger als der Inhalt der Botschaft.

5.11.15
(Liebe) Frau

sende dir nebst lieben Kindern die herzlichsten Grüße & K. Hoffentlich geht es Euch noch gut, was auch bei mir noch der Fall ist.
Auf frohes Wiedersehen


D.tr. Mann