"Wir, die Starken, die Stolzen, die Unbesiegbaren..." - Studenten und Professoren der Technischen Hochschule DarmstadtDie seit 1877 bestehende Technische Hochschule befand sich seit den 80er Jahren in ständigem Auf- und Ausbau, was besonders am guten Ruf der elektrotechnischen Fakultät lag. Im Sommersemester 1914 waren 1306 Studenten immatrikuliert (darunter 7 weibliche). Bei der verbreiteten patriotischen, ja nationalistischen Einstellung der Studenten bedurfte es kaum der Aufrufe durch Rektor und Allgemeinen Studentenverband vom August 1914, sich freiwillig - als Soldat oder in anderer Weise - in den "Dienst des Vaterlandes" zu stellen. Die Studenten reagierten überwiegend begeistert auf die Mobilmachung und den Beginn des Ersten Weltkriegs, das zeigen auch viele Briefe aus der Darmstädter Weltkriegssammlung. Soldaten sammeln sich vor dem Hauptgebäude der TH Darmstadt. Wahrscheinlich waren sie in Kasernen der nahegelegenen Alexanderstraße stationiert; vielleicht waren auch studentische Kriegsfreiwillige unter ihnen. (Foto: Stadtarchiv Darmstadt) Die "Ideen von 1914" Von Beginn an, aber auch nach der Niederlage 1918 wurden in Vorlesungen und Reden immer wieder die "Ideen von 1914" beschworen, in denen eine Synthese von "deutscher Freiheit" und "deutscher Organisation" gesehen wurde. In den öffentlichen Reden bei der Rektoratsübergabe an der Technischen Hochschule wurde der Krieg " nach einem verbreiteten Denkmodell - zu einem Entscheidungskampf zwischen der westlichen und der "deutschen" Kultur stilisiert. Dass Deutschland dabei ein besonderer Herrschaftsanspruch in Europa mit umfangreichen Annexionen und einem vergrößerten Kolonialreich zukommen sollte, ist dabei ganz selbstverständlich. Der Literaturhistoriker Prof. Arnold Erich Berger sprach am 20. Oktober 1914 vom Ziel einer deutschen Großmachtstellung, die auch durch umfangreiche Gebietsannexionen abzurunden sei. (Die Äberschrift ist ein Zitat aus seiner Rede.) 1920, nachdem der Kriegsverlierer Deutschland erhebliche Gebiete hatte an die Sieger abtreten müssen, knüpfte Prof. Dingeldey unverdrossen an diese Tendenz an und ermunterte die Studenten mit "deutscher Technik, deutschem Wissen und Können" dazu beizutragen, dass Deutschland künftig wieder "einen Platz an der Sonne zurückerobern" könne. Schon im Wintersemester 1915 / 16 waren über 80% der Studenten im Krieg, nur noch 140 studierten. 30% der Privatdozenten, 9% der - meist ja schon älteren - Professoren leisteten ebenfalls Kriegsdienst. Ein Teil des Hochschulgebäudes wurde in ein Lazarett umgewandelt, unter anderem wohl, damit verwundete und in Genesung befindliche Studenten weiter studieren konnten. Obwohl die wachsende materielle Not, die Deutschland bald an den Rand des wirtschaftlichen Ruins trieb, auch vor den Toren der Hochschulen nicht halt machte, blieben die Universitäten bis zum bitteren Ende treue Stützen des Kaiserreichs. Noch Ende Oktober 1918 hielt der Rektor der THD eine Ansprache in der er alle zur Sammlung aller vaterländischen Kräfte aufrief und die "Einheit und Einigkeit für Kaiser und Reich" beschwor. Studentenverbindungen Verbindungsstudenten der TH Darmstadt (Foto: Stadtarchiv Darmstadt) Die heute noch in Darmstadt aktiven Studentenverbindungen, deren Traditionen noch in die Zeit vor 1914 zurückreichen, geben auf ihren Seiten im Internet wenig bis gar keine Auskünfte über ihr Mitwirken am 1. Weltkrieg. Auf den Webseiten des Corps HASSIA zu Darmstadt schrieb Dr. Friedrich Arnemann, dass das wilhelminische Deutschland, wirtschaftlich ein Faktor unter den Industrienationen geworden, in der Welt durch Aufrüstung, Großmachtgebaren und überspitzten Nationalismus nicht nur Freunde gewonnen hatte. Der 1. Weltkrieg brach aus. Aktive und Alte Herren, viele freiwillig, eilten zu den Fahnen. Die Kriegsteilnehmerlisten weisen über 65 im Feld stehende Corpsbrüder, z.T. mit hohen Auszeichnungen, aus. Am Ende dieses Krieges muss das Corps um 8 Corpsbrüder trauern, die nicht mehr zurückkehrten. In einem Darmstädter Lazarett 1915, die Tafel im Hintergrund könnte ein Hinweis darauf sein, dass es sich um einen Raum in der TH handelt. (Foto: Stadtarchiv Darmstadt) Trauerfeier für die getöteten Dozenten und Studenten Insgesamt 249 Angehörige der TH Darmstadt waren dem Krieg zum Opfer gefallen. Am 8. April 1919 fand in der Pauluskirche in Darmstadt eine Trauerfeier für die getöteten Dozenten und Studenten statt. Ansprache des Rektors zur Gedächtnisfeier der Technischen Hochschule zu Darmstadt am 8. April 1919 - Geheimer Baurat Professor Friedrich Pützer:
Den aus unseren Reihen im Weltkrieg für Deutschlands Ehre Gefallenen sei diese ernste Stunde geweiht. Äber zweihundertfünfzig Opfer eines grausen Geschickes zählt die Hochschule, Mitglieder des Lehrkörpers, Studierende und Hörer; Gatten und Väter in gereiften Jahren, hoffnungsvolle Söhne in froher Jugend. Mit tausend und abertausend treuen Brüdern ruhen sie still und einsam, fern der Heimat, auf den Blutgefilden Belgiens und Frankreichs, in den klagenden Steppen Russlands, am kühlen Waldhang der Karpathen, in den kahlen Schluchten des Balkans, am sonnenverklärten Fuß der Alpen, in der zitternden Glut asiatischer Wüste, unter den ewigen Wellen des Weltmeers. Jeder der Gefallenen ein vor der Erfüllung zerstörtes Menschenschicksal, eine ringende Seele, ein strebender Geist, gehütet von der heißen Liebe der Seinen, gestärkt am klaren Quell deutschen Volkstums, erfüllt von dem Bewusstsein der heiligen Notwendigkeit selbstlosen Opfers. Das Herz krampft sich beim Gedenken der Werte und Hoffnungen, die mit jedem Einzelnen ins Grab sanken; die Gattin schreit nach dem Vater ihrer Kinder, die Eltern verzehren sich in Gram um ihre gefallenen Söhne. Unvergessliches Leid in jeder Hütte, unersetzliche Verluste in jeglichem Kreis! Das Massenopfer mildert nicht den Schmerz um das Einzelschicksal. Wahnsinniges Weh erschüttert die Menschheit, sucht vergeblich nach Linderung und Trost. Unsere Besten starben dahin als Helden der Pflicht. Äberzeugt von der furchtbaren Not des deutschen Vaterlandes, von der Volk und Heimat drohenden Vernichtung. Bereit, sich zu einem schützenden Wall zusammenzuschließen und dem bitteren Tod furchtlos ins Auge zu sehen. So stark und groß war ihnen das Bewusstsein der Pflicht. Aber sagt dies kalte, kluge Wort genug" Erschöpfte sich der Antrieb zu ihrem Handeln in einem verstandesmäßig erfassten Pflichtgefühl" Haben nicht die Tapferen und Guten ihr ganzes Ich eingesetzt" Hat nicht ihr flammendes Herz sie zur Opferbereitschaft getrieben" Hat nicht edelste Liebe, Liebe zu uns, zu Volk und Vaterland ihre Kraft gestählt, ihren letzten Atemzug beseelt" Ja, Helden der Nächstenliebe sind es, denen wir aus wehem Herzen unseren heißen, nie nachlassenden Dank zurufen: Dank euch allen und jedem! Dank heute und immerdar! Uns zuliebe seid Ihr frohgemut hinausgezogen aufs Feld der Ehre, uns zuliebe habt Ihr mannhaft gestritten und gelitten, uns zuliebe habt Ihr das Schwerste auf Euch genommen. Wie könnten wir das je vergessen! Gebt uns den Trost, dass Eure heilige Liebe zu uns Euch in der erschütternden Schicksalsstunde stärkte, Euch die bitteren Todesqualen erleichterte. Euer Tod soll nicht vergeblich sein: Eure Kraft wird uns aufrichten; Euer Blut wird den Geist tränken, der unseres Volkes Zukunft sein muss; Eure Liebe sei unsere Hoffnung. In Ehrfurcht beugen wir uns vor diesen Helden größter Liebe. Bauen wir ihrem Gedächtnis im Herzen einen heiligen Tempel, von der Dankbarkeit geschmückt, von den Seufzern eines verklärten Schmerzes durchweht, vom Lichte des Ewigen durchflutet.
Zwei Lieder, die während der Gedächtnisfeier am 8. April 1919 gesungen wurden:
Des Pilgers Trost
(Männerchor) Mag auch die Liebe weinen, Es kommt ein Tag des Herrn. Es muß ein Morgenstern Nach dunkler Nacht erscheinen. Mag auch der Glaube zagen, Ein Tag des Lichtes naht. Zur Heimat führt sein Pfad! Aus Dämm'rung muß es tagen! Mag auch die Tugend kämpfen, Es kommt ein Ruhetag. Kein Sturmgewölk vermag Der Sonne Strahl zu dämpfen. Mag Hoffnung auch erschrecken, Mag jauchzen Grab und Tod. Es muß ein Morgenrot Die Schlummernden einst wecken!
Mit dem Herrn fang' alles an
(Männerchor) Mit dem Herrn fang' alles an! Kindlich mußt Du ihm vertrauen; Darfst auf eig'ne Kraft nicht bauen; Demut schützt vor stolzem Wahn. Mit dem Herrn fang' alles an! Mit dem Herrn fang' alles an! Die sich ihm zum Führer wählen, Können nie das Ziel verfehlen; Sie nur geh'n auf sich'rer Bahn. Mit dem Herrn fang' alles an! Mit dem Herrn fang' alles an! Mut wird Dir Dein Helfer senden; Froh wirst Du Dein Werk vollenden; Denn es ist in Gott getan! Mit dem Herrn fang' alles an! Quelle: www.tu-Darmstadt.de/hg/rhenania Sonderdruck der Rede von Prof. Pützer zur Gedächtnisfeier der THD am 8. April 1919 Siehe auch: Denkmal für die gefallenen Angehörigen der Technischen Hochschule |